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Vorrang für Radfahrer

Selbst bei frostigen Temperaturen sind auf dem Klingelwiesenweg vereinzelt Radfahrer unterwegs. Die Stadt möchte den Radlern Vorrang vor den Autos einräumen und will dafür vom Verkehrsminister Unterstützung für einen mehrjährigen Feldversuch erhalten. Foto: Pegelow
Selbst bei frostigen Temperaturen sind auf dem Klingelwiesenweg vereinzelt Radfahrer unterwegs. Die Stadt möchte den Radlern Vorrang vor den Autos einräumen und will dafür vom Verkehrsminister Unterstützung für einen mehrjährigen Feldversuch erhalten. Foto: Pegelow

Karben. Die Kurt-Schumacher-Schüler und -Schülerinnen haben der Politik Beine gemacht. Weil der Klingelwiesenweg zwischen Burg-Gräfenrode und Okarben immer noch keine für Radfahrer sichere Verbindung ist, haben sie eine Petition eingereicht. Mit Erfolg: Die Ausschussmitglieder empfahlen den Stadtverordneten, den Weg als Fahrradstraße auszuweisen. Und die Stadt hat sich an den hessischen Verkehrsminister gewandt.
Wer mit dem Auto aus Burg-Gräfenrode kommend kurz vor der Groß-Karbener Nordumgehung nach rechts einbiegt, befindet sich auf dem Klingelwiesenweg. Das ist eine recht schmale Straße, die durch die Felder führt, dann eine Kurve macht, weiter geradeaus führt, am ehemaligen Sportplatz und der Kleingartenanlage vorbei – und nach Okarben führt.
Ein paar Minuten sind es nur im Pkw, um von einem Stadtteil in den anderen zu kommen. Würde man die Nordumgehung befahren, würde man den doppelten Weg zurücklegen. Kein Wunder also, dass Menschen, die zwischen den beiden Stadtteilen pendeln, immer noch die kürzeste Verbindung nehmen. Demzufolge sind trotz der Umgehungsstraße dort noch viele Autos unterwegs. So viele, dass der Regionale Verkehrsdienst der Wetterauer Polizei (RVD) die Ausweisung der Straße als Fahrradstraße ablehnt. Das genau aber ist eine jahrealte Forderung von Grünen, SPD und dem Okarbener Ortsbeirat. Die Ursprungsforderung aus dem Jahr 2016 lautete gar, den Klingelwiesenweg für alle Autos zu sperren. Diese Forderung lehnt die Stadt ab.
Lange Zeit war es ruhig geworden um diese Straße, im Volksmund auch Promilleweg genannt. Doch plötzlich ist das Thema wieder aktuell – angestoßen durch die Petition der Schülerinnen und Schülern. Die Klasse 8aG fordert in der von mittlerweile 176 Personen unterzeichneten Petition, »den Klingelwiesenweg in voller Länge zur Fahrradstraße umzuwandeln«. Man wisse, dass der RVD diesem Vorhaben widersprochen habe, weil zu wenig Radfahrer diesen Weg nutzen würden. Die Schüler kontern: »Genau weil der Klingelwiesenweg keine Fahrradstraße ist und Autofahrer hier oft schnell und gefährlich fahren, wird dieser Weg von Fahrradfahrern nicht gerne genutzt. Dabei ist er ein wichtiger Weg zur Kurt-Schumacher-Schule und zu vielen weiteren Zielen der Stadtteile von Karben.« Vor allem Kinder und Jugendliche aus Okarben benutzen den Weg zur Kurt-Schumacher-Schule oder könnten ihn benutzen, sagen die Initiatoren der Petition, allen voran Frederik Wagner. »Eine Mehrzahl der SchülerInnen unserer eigenen Klasse kommt bereits mit dem Fahrrad zur Schule. Aber es könnten noch mehr sein.« Auch Konfirmanden oder Bewohner aus Burg-Gräfenrode und sogar aus dem Waldhohl-Wohngebiet, die zum Bahnhof in Okarben wollen, fahren dort.
Mehrjähriger Testlauf geplant
Die Petition war Anlass für die Kommunalpolitik für die erneute Forderung, den Klingelwiesenweg in eine Fahrradstraße umzuwandeln. Linke und Grüne haben dazu im Ausschuss für Stadtplanung und Infrastruktur Anträge eingebracht. Zur Stadtverordnetensitzung wurde er als interfraktioneller Antrag einstimmig verabschiedet. Damit unterstützt die Politik den Weg, den die Stadt jetzt gehen will. Sie will einen zwei- bis dreijährigen, wissenschaftlich begleiteten Testlauf starten.
Bürgermeister Guido Rahn (CDU) nennt die Eckpunkte. »Wir wollen den Radfahrern dort Vorrang einräumen. Der Weg wird weiterhin für die Landwirtschaft benötigt. Auch Anlieger, etwa zur Kleingartenanlage und zum Petanque Club und zum künftigen Erlebnispunkt Alter Sportplatz, müssen den Weg nutzen können. Und zu guter Letzt gibt es Burg-Gräfenröder, die zum Hausarzt diesen Weg nutzen.«
Polizei und RVD haben rechtliche Bedenken, da heute dort noch mehr Autos als Fahrradfahrer fahren und somit der Radverkehr nicht das vorrangige Verkehrsmittel ist. Der ADFC hält es laut Rahn aber für sinnvoll und auch zulässig, da zukünftig dort mehr Fahrradfahrer den Weg nutzen könnten bzw. würden.
Stadt schreibt an Verkehrsminister
Die Stadt möchte in Zusammenarbeit mit dem Land Hessen ein zwei bis drei Jahre dauerndes Modellprojekt laufen lassen und hat sich deshalb an den hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) gewandt. In dem Brief heißt es, die Stadt wolle eine »außerörtliche Fahrradstraße einrichten, die Modellcharakter für die gesamte Region erhalten könnte«. Im Ausschuss kündigte Rahn an, dass das Projekt von einem Professor der Hochschule Darmstadt begleitet werden könnte. Das Kalkül der Stadt: Mit einer zeitlichen Begrenzung des Projekts könnte man den Bedenken der Polizei entgegenkommen. Bei einem Erfolg hätte das Projekt allerdings Modellcharakter und wäre wegweisend für andere Kommunen bei der Einrichtung weiterer außerörtlicher Fahrradstraßen.
Bleibt abzuwarten, wie sich das hessische Verkehrsministerium dazu stellt. Der Vorstoß der Stadt und das einmütige Votum der Stadtverordneten sind für die Schüler zumindest schon mal ein Teilerfolg.
Von Holger Pegelow