Veröffentlicht am

Vorurteile pointiert aufgetischt

Die drei ältesten Töchter des Monsieur Claude und ihre Ehemänner haben auf dem Smartphone Neuigkeiten entdeckt. Foto: Eugen Sommer
Die drei ältesten Töchter des Monsieur Claude und ihre Ehemänner haben auf dem Smartphone Neuigkeiten entdeckt. Foto: Eugen Sommer

Bad Vilbel. Wenn Töchter heiraten, ist die Freude groß. Doch was ist, wenn die Schwiegersöhne nicht ins Weltbild der Eltern passen? Dass kulturelle Vielfalt nicht immer einfach auszuhalten ist, bringt Regisseurin Adelheid Müther mit leichter Hand auf die Bühne der Burgfestspiele: Die Komödie »Monsieur Claude und seine Töchter« basiert auf dem gleichnamigen Film, der im französischen Original »Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu?« heißt (auf deutsch: »Was haben wir dem lieben Gott getan?«).
Der Eiffelturm erstrahlt im gleißenden Licht, ein Akkordeonspieler mit Baskenmütze spielt auf, die Atmosphäre ist perfekt: Paris ist der schönste Ort zum Heiraten und hier finden sich drei Paare zusammen. Die Töchter von Claude und Marie Verneuil (Peter Albers, Britta Hübel) haben ihre Ehepartner gefunden und sind glücklich. Das kann man von den Eltern nicht sagen. Sie stehen grübelnd am Rande und fragen sich: Warum haben uns das unsere Töchter angetan? Kann das gut gehen: Ein muslimischer Schwiegersohn mit algerischen Wurzeln, der zweite mit chinesischen und der dritte mit jüdischen?
Hauerei wegen einer Vorhaut
Szenenwechsel. Die Beschneidung des erstgeborenen Enkels wird gefeiert. Die Tafel ist gedeckt, das Kind plärrt. Der Kindsvater überreicht dem überraschten Schwiegerpapa die Vorhaut des Babys mit der Bitte, diese Ehre zu würdigen und das kostbare Teil im Garten zu vergraben. Claude ist konsterniert und will das nicht. Seine Frau Marie beschwichtigt und verspricht, sich darum zu kümmern. Die Schwager fangen an sich zu streiten, welche Art Beschneidung besser ist, die jüdische oder die arabische. Auch Chao Ling bekommt sein Fett ab, ihm wird sein Stoizismus vorgeworfen und dass die Chinesen sich nicht integrieren können. »Ich bin Franzose«, antwortet Chao beleidigt. »Das sieht man aber nicht«, sagen seine Schwager und entschuldigen sich: »Nicht böse sein, das ist nur ein Witz.« Witze gibt es viele, so böse Witze, dass sich die Schwager an die Gurgel gehen, die Frauen vergebens intervenieren und die Gäste fluchtartig das Fest verlassen.
Fassungslos sind Claude und Marie. »Was haben wir für eine sensible Familie« jammert Marie. »Die Töchter sind brillant, die Schwiegersöhne Versager und zu essen gab es trockenes Straußenfleisch«, fasst Claude zusammen. Er kommt nicht darüber hinweg, dass ihm, den stolzen Konservativen, sein Missmut über koscheres Essen, Penisbeschneidung und den anstrengenden Schwiegersöhne als Rassismus ausgelegt wird.
Turbulente und flott gespielte Szenen sind das. Die Szenenwechsel sind beschwingt choreografiert. Kein starres Bühnenbild, sondern Bewegung und Dialog bestimmen das Geschehen. Ob es sich in Paris oder der Provinz abspielt, sieht man an der Kleidung. Ein Tisch und ein paar Stühle, welche die Schauspieler selber arrangieren, reichen, um die Familie auf der Bühne zusammenzubringen. Der Akkordeonspieler (Andreas Krämer) liefert die passende musikalische Untermalung. Die jungen Männer agieren mit Leidenschaft und Witz.
Eltern gelangen an
ihre Grenzen

Ein bunter Strauß an Vorurteilen wird pointiert aufgetischt und belacht. Die Frauen kichern anfangs noch, beschwichtigen, halten zu ihren Männern und sind erschrocken, wie das Familienfest eskaliert. Doch das ist alles nur der Auftakt für das eigentliche Drama, bei dem die jüngste Tochter Laure ihren Verlobten Charles Koffi den überforderten Eltern vorstellt. Denn auch dieser Schwiegersohn entspricht nicht deren Wunschbild.
Claude greift zur Kettensäge und rasiert die Bäume im Garten ab, weil der Zorn in ihm brodelt. Auch wenn das alles überzogen wirkt, wird deutlich: Die Eltern sind an ihre Grenzen angelangt. Sie wissen, dass sie Vorurteile in sich tragen, sie ringen damit und werden sie doch nicht los.
Calvados, Hechtbiss und Happy End
Schwiegersohn Nummer 4, von Felix Franken gespielt, mischt ungewollt alles noch mal auf. Wird es zur Hochzeit kommen? Wie groß ist die Macht von Vorurteilen und Herkunft. Kriegt sich die zerstrittene Familie ein – und erst recht die zwei größten Sturköpfe, die Väter des jungen Paares ?
Da bedarf es noch einiger Verwicklungen, bis sich schließlich der Knoten löst. Das Publikum bangt mit, lacht mit und so viel sei verraten: Es sind Zutaten wie Calvados, Angelschnur und Hechtbiss, die den Weg zum Happy End freimachen.
Von Annerose Dostalek

Weitere Termine und Ticket-Buchungen unter www.kultur-bad-vilbel.de