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Zu großes Rad!

Zur eventuellen Ansiedlung des chinesischen Gemischtwarenkonzerns Zhongqi Investment Group auf rund 200000 Quadratmeter im Gewerbegebiet Quellenpark, wo die Chinesen „märchenhafte 700 Millionen Euro zu investieren gedenken“ erreichte uns nachfolgender warnender Leserbrief:

Die Stadt Linyi, mit der sich Klaus Minkel so gern verbinden würde, präsentiert sich nicht nur als eine seelenlose, schnell hochgezogene Megacity in ödester Architektur, sie hat auch sonst finstere Seiten. Darüber kann man einiges im Internet erfahren. Da findet man z.B. die bisher unwidersprochene Darstellung, bei Linyi handele es sich um eine Stadt, die seit 2005 vor allem durch Menschenrechtsverletzungen auf sich aufmerksam mache. Darauf hat der kürzlich in die USA geflüchtete Jurist Chen Guangcheng hingewiesen.

Für den hessischen Vize-Ministerpräsidenten und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn, ein glühender Verfechter des Landverkaufs, sind solche Hinweise jedoch „moralische Argumente“, die er „abwegig“ findet. In fast schon chinesischer Manier beschimpft Hahn als FDP-Stadtverordneter die politische Opposition, weil sie im Parlament darauf aufmerksam machte, mit wem sich Bad Vilbel künftig verschwistern will. Er bemühte stattdessen das abgedroschene Schlagwort vom „Wandel durch Annäherung“ – armer Willy Brandt -, so als könne der Schwanz mit dem Hund wackeln.

Was ist der harte Kern dieses wechselseitigen Liebeswerbens?

Seit China einige Billionen Dollar Währungsreserven eingelagert hat, ist nicht nur in Wirtschaftskreisen eine China-Euphorie ausgebrochen. Dieser Reichtum scheint blind zu machen für das totalitäre Einparteienregime, aber zugleich auch begehrlich. Oder ist es Zufall, dass Stadtrat Minkel und Stadtverordneter Hahn ihre Liebe zu China ausgerechnet jetzt entdeckt haben, wo sie hoffen, ein bisher nicht nachgefragtes Gewerbegebiet zu überteuertem Preis losschlagen zu können? Und sie möchten, dass wir unsere angeblichen Vorurteile gegenüber den chinesischen Machthabern abwerfen.

Aber haben etwa die weltweit agierenden Manager wie Siemens-Chef Löscher und der BASF-Vorsitzende etwa Vorurteile, wenn sie kürzlich den mangelnden Schutz geistigen Eigentums, also die schon lange übliche Produktkopiererei, zunehmenden Protektionismus und die fehlende Rechtssicherheit in China anprangerten? Bisher galten chinesische Waren in der Produktqualität aus gutem Grund als eher minderwertig und skandalbelastet. So mussten z. B. mit vergifteten Farben auf Kinderspielzeug oder in Textilien bei uns vom Markt genommen werden. Dafür kann man Zhonqi sicher nicht verantwortlich machen. Aber wissen wir, was und wie dieser Konzern produziert? Solche Fragen bleiben bisher beim geheimen Bad Vilbeler China-Deal außen vor. Aber ein Grundstücksverkauf dieser Dimension birgt hohe Risken, auch wenn die Inhalte des Vertrags bisher weitgehend unbekannt sind. Diese Sache ist zu groß für ein paar kleine Lokalpolitiker.

Dr. Rolf Seubert,

Bad Vilbel

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