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Zweimal impfen und zurück

Gleich kann die Fahrt zum Impfzentrum losgehen. Hildegard Pilster (links) und Marieluise Wirsing sehen ihrer Zweitimpfung entspannt entgegen. Fahrer Ivica Parlov kümmert sich um alles. Foto: Schenk
Gleich kann die Fahrt zum Impfzentrum losgehen. Hildegard Pilster (links) und Marieluise Wirsing sehen ihrer Zweitimpfung entspannt entgegen. Fahrer Ivica Parlov kümmert sich um alles. Foto: Schenk

Nachbarschaftshilfe organisiert Termine und Anfahrten

Bad Vilbel. Nicht lange herumreden, sondern einfach machen. Nach diesem Prinzip haben sich in Bad Vilbel Menschen zusammengefunden und den Kampf gegen das Virus angenommen. Sie möchten denen helfen, die am stärksten gefährdet sind – und das sind nach wie vor die Älteren und Vorerkrankten.
Eine kürzlich vom Hessischen Rundfunk durchgeführte Recherche bestätigt die Notwendigkeit: In Hessen ist erst jede dritte Person über 80 Jahre geimpft. Und dieses Ergebnis bezieht sich auf die erste Impfdosis, nicht auf die Schutz gebende zweite. Laut Statistischem Landesamt leben in Hessen 404 000 Menschen, die älter als 80 Jahre sind.
Bei einem solchen Sachverhalt kann Hilfe aus der Nachbarschaft vieles einfacher machen. Das dachte sich auch jener Bad Vilbeler Verein, der das Motto schon in seinem Namen trägt. Zusammen mit dem Seniorenbüro der Stadt und Ehrenamtlichen von anderen Organisationen hat die Nachbarschaftshilfe einen Teil des Impf-Managements übernommen. Dabei geht es um das für alte und alleinstehende Leute komplizierte Prozedere der Terminbuchung.

Wie ein Lottogewinn
Unterstützt wird die Sozialaktion von ehrenamtlichen Fahrern. Sie bringen alle Impfwilligen mit fertig ausgefüllten Formularen ins Impfzentrum nach Büdingen und von dort wieder zurück. 147 Termine seien bisher durchgeführt worden, gibt der Verein bekannt. 140 weitere Termine stünden noch aus.
Hannelore Lotz vom Vorstand der Nachbarschaftshilfe musste Anfang des Jahres selbst mit den Schwierigkeiten bei der Terminbuchung zurechtkommen. Im Januar wollte sie ihren Vater und ihren Ehemann zum Impfen anmelden. Doch zu dieser Zeit war das System völlig überlastet. Eine erfolgreiche Anmeldung glich fast einem Lottogewinn. Zudem waren die meisten Hochbetagten mit dem Anmeldeprozess überfordert.
»Ich habe mich gefragt, wie man helfen könnte«, schildert Lotz ihre damaligen Gedanken. »Situationsbedingt waren in unserem Büro Kapazitäten vorhanden. Wolf-Rüdiger Bueble, der erst kurz vorher unserem Verein beigetreten war, hat sich sofort bereit erklärt. Bei der Organisation unterstützt ihn Susanne Kreuzer. Fahrzeuge für die Impffahrten stellt die Stadt Bad Vilbel.«

15 Fahrten nach Büdingen habe er als Fahrer selbst gemacht, berichtet Rentner Bueble. In der vorletzten März-Woche sei er dann ebenfalls geimpft worden. »Wegen des erhöhten Risikos bei den Kontakten«, wie er sagt. »Wenn man so etwas macht, weiß man genau, wie es um die Stimmung in der Bevölkerung bestellt ist.« Er glaubt, dass die allermeisten älteren Leute sich impfen lassen werden. Sie gingen sehr verständnisvoll an die Sache heran. Und wenn jemand in der Impfreihenfolge vergessen wird, greift Bueble zum Telefon und ruft schon mal den Amtsarzt des Wetteraukreises  persönlich an. Das sei bei drei Bad Vilbelern passiert.

Ivica Parlov hat es bisher auf zehn Fahrten gebracht. Pro Tour kann er drei Personen mitnehmen. »Von der Stadt bekomme ich die Kontaktdaten, dann rufe ich sie an und spreche mich mit ihnen ab«, erläutert der 49-Jährige. Am Karfreitag hält er mit einem Kleinbus direkt vor dem Eingang der Seniorenresidenz »Quellenhof«. Dort steigt Hildegard Pilster zu. Sie ist 81 Jahre alt und Bewohnerin des Hauses. Hinten im Fahrzeug wartet mit Marieluise Wirsing eine weitere 81-Jährige auf Gesellschaft. Beide Frauen werden an diesem Tag ihre zweite Impfung erhalten.

Lob und gute Zeugnise
Vor der Abfahrt nach Büdingen  schwärmen sie von der reibungslosen Organisation im Vorfeld. Auch dem Impfzentrum am Rande der Wetterau  stellen sie ein gutes Zeugnis aus. Von Aufregung ist bei beiden nichts zu spüren. Drei Stunden seien sie beim ersten Mal insgesamt unterwegs gewesen, und das immer mit Maske. Nach der Impfung habe sie ein leichtes Unwohlsein gespürt, erzählt Marieluise Wirsing. Aber das führe sie eher auf das ständige Maskentragen zurück. »Die Impfung habe ich gut vertragen. Nur mit dem Arm hatte ich ein paar Probleme.« Hildegard Pilster kann von keinerlei Nebenwirkungen berichten. Gespritzt wurde ihnen das Impfpräparat von Biontech/Pfizer.

 

 

Nachbarn helfen Nachbarn

Engagieren sich in der Nachbarschaftshilfe (von links): Wolf-Rüdiger Bueble, Hannelore Lotz, Susanne Kreuzer. Foto: Schenk

Der Nachbarschaftshilfe-Verein versteht sich als Netzwerk von Bürgern, die das Miteinander und Füreinander in Bad Vilbel voranbringen wollen. Mitglieder besuchen ihre Nachbarn und leisten im Einzelfall praktische Hilfe, wenn es gewünscht ist. Die Dienstleistungen beinhalten Begleit- und Fahrdienste, Besuchsdienste, technische und handwerkliche Unterstützung, bürokratische Hilfen, Kinderbetreuung und weitere Alltagsangebote. Es gibt eine Tafel, eine Hospiz-Gruppe und ein Trauercafé. Gegründet wurde der Verein im Jahr 2000. Weitere Informationen unter www.nachbarschaftshilfe-bv.de. (jsl)