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Angriff auf den Markt-Schlafloser Mann forderte „Daumenschrauben“ für unser größtes Volksfest

Bad Vilbel. Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) war verärgert. „Der Mann ist doch ein bisschen weltfremd“, wettert der Verwaltungschef. Der Kläger beschwerte sich über den Lärm, der vom Vilbeler Markt ausgeht und ihn stört. Den wollte er mindestens ab 22 Uhr auf maximal 40 Dezibel reduziert haben. Eine entsprechende Eilverfügung reichte er beim Verwaltungsgericht in Gießen ein, allerdings vergeblich. Seine Klage wurde abgewiesen, eine relevante Lärmbeeinträchtigung sei nicht gegeben, wie Lärmmessungen durch einen Mitarbeiter der Kreisverwaltung belegten, auf die das Gericht seine Entscheidung stützte. Die zulässigen Emissionswerte seien nicht überschritten worden, erklärte Gerichtssprecherin Sabine Dörr. Der Kläger hatte Lärmbegrenzung wie in einem Wohngebiet gefordert, und zwar gestaffelt ab 17 Uhr – sowie permanente Messungen der Lautstärke.

„Es gibt kein Festgelände zwischen Nordsee und Alpen, das solche Auflagen erfüllen könnte“, so Bürgermeister Stöhr im Vorfeld der Entscheidung. Er kritisierte den Kläger, der den zwei Kilometer von ihm entfernt liegenden Festplatz als Wohngebiet gewertet haben wolle: „Das ist kein Wohngebiet!“ Direkt dran lägen vor allem die Abfüllanlagen von Hassia und FFH.

Stört der Markt den Radiosender als direkten Anlieger? Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth: „Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Hier ist was los – das bereichert unsere Mittagspause, den Feierabend und wir mögen traditionelle Volksfeste. Wir sind der Meinung, die sollte man unbedingt pflegen! Dabei nehmen wir Autoscooter-Gehupe, Wegfall unserer Parkplätze und andere Verkehrsführung gerne in Kauf. Schließlich findet der Markt nur einmal pro Jahr statt. “

Auch der Bürgermeister kann den Knatsch nicht verstehen. „Mit Rücksicht auf alle Bad Vilbeler haben wir schon die Stunden des Marktes reduziert und eine Sperrstunde eingeführt. Und wir haben die Veranstalter gebeten, gerade bei Musikveranstaltungen die Bässe zu reduzieren.“

Doch das reichte dem Kläger nicht, er wollte ab 22 Uhr Ruhe haben. Im Gespräch mit der „Frankfurter Neuen Presse“, die exklusiv über diesen ganz außergewöhnlichen Vorstoß berichtete, erzählt er, dass er vor acht Jahren nach Bad Vilbel gezogen ist und lange die Lärmbelästigungen durch Quellenfest, Ironman oder den Vilbeler Markt hingenommen habe. „Doch irgendwann reichte es mir – Musik und Krach bis 2, 3, 4 Uhr muss doch nicht sein!“, wird der Kläger in der FNP zitiert. Er habe sich mehrfach bei der Polizei beschwert und im vergangenen Jahr auch den Kontakt zu Matthias Stengel, dem Chef des städtischen Ordnungsamts, gesucht. Daraufhin sei es beim Marktfest ruhiger geworden. Doch dieses Jahr sei die Lautstärke wieder so hoch, dass er nachts auf seinem Balkon noch 55 Dezibel gemessen habe, sagt der Kläger. Entsprechend habe er am vergangenen Samstag, gegen 22.45 Uhr erneut die Polizei angerufen: „Dort sagte man mir, man könne nichts tun – der Veranstalter habe eine Genehmigung bis 1 Uhr . . .“ Als in der Nacht zum Dienstag „das gleiche Spektakel“ gewesen sei, ging er vormittags zum Viehmarkt, bat bei Marktleiter Carsten Feik um Lärmminderung. Doch vergeblich. „Da blieb mir nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen“, erklärt er seine Eilverfügung. Er wolle Ruhe wie bei der Frankfurter Dippemess, wo ab 22 Uhr die Musik leise sein müsse.

Sollte er in Gießen verlieren, werde er weiter klagen, hatte er der FNP vor der Gerichtsentscheidung erklärt. Er gönne den Marktbesuchern durchaus ihren Spaß, „aber irgendwann muss Ruhe sein!“ Inzwischen scheint er den Gerichtspfad verlassen zu haben. Bleibt es dabei, muss er die 3000 Euro Verfahrenskosten zahlen.

Vielleicht hat er vom Kriegspfad abgelassen, weil sich auch Rathauschef Stöhr betont kämpferisch gab: „Wegen des Unmuts eines Bürgers machen wir den Markt nicht zu!“ Bürgermeister Stöhr stellte dennoch klar: „Wir sind stets in Gesprächen mit allen Schaustellern, Karussellbetreibern und dem Festzeltwirt, um weiter gemeinsam und konstruktiv an einer möglichen Verminderung des nächtlichen Lärms zu arbeiten, dem Markt aber gleichzeitig auch sein prägendes Bild als größtes Volksfest der Wetterau zu lassen.“ (zlp)