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Die Nidda tief im Bett – Wasserpegel des Flusses ist im November auf rekordverdächtige Marke gesunken

Die anhaltende Trockenheit lässt die Flussläufe drastisch sinken. Schadet das Mensch und Natur? Bisher noch nicht, findet der Bad Vilbeler Gewässer-Experte Gottfried Lehr.

Bad Vilbel. Treppenstufen mit Zentimeterangaben führen neben dem Schützenhofsteg hinab auf die Nidda-Böschung. Dort wird der Bad Vilbeler Pegel gemessen. Derzeit kann man die Treppe fast bis zum Flussbett laufen. Gestern meldete das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie einen Pegel von 55 Zentimetern. In Schotten waren es nur vier Zentimeter. Auf 19 Zentimeter kommt der Erlenbach bei Ober-Erlenbach.

Alles ist anders

Am Mühlensteg blickt Gottfried Lehr auf mehrere Steinansammlungen quer zum Flusslauf. Das sind Buhnen, die den Fluss mäandern lassen sollen, erläutert der Gewässerökologe. Normalerweise ragen nur die Spitzen dieser Steine aus dem Wasser. Doch in diesem November ist alles anders. Er sei „der trockenste seit Beginn der Temperaturmessungen.“

Schon in den vergangenen Jahren habe es wenig Niederschläge gegeben, erinnert sich der Gewässerökologe. In diesem Jahr gab es zwar im Januar eine Schneeschmelze und viel Regen, „doch dann hat’s aufgehört bis Juni“. Es folgten noch Sommergewitter, „aber das hat die Vegetation alles aufgenommen“. Bisherige Bilanz des Novembers: 0,1 Millimeter Niederschlag.

Die Flüsse sind der Gradmesser für die Austrocknung, auf ihnen fließt überschüssiges Grundwasser ab. Und das wird immer weniger. Im Moment werde auf der Nidda bereits ein mittlerer Niedrigwasser-Quotient gemessen. Ein solcher Flusspegel würde im Sommer rasch zum Fischsterben führen, erläutert Lehr. Dann wäre das Wasser wegen der Verdunstung noch weniger, die Wärme würde den Sauerstoffgehalt auf kritische Werte sinken lassen.

Im Erlenbach sei die Verdünnung des Wassers noch geringer als sonst. Es bestehe im Moment überwiegend aus Zuleitungen des Klärwerks in Ober-Erlenbach. Doch das ist für Lehr auch ein gutes Zeichen: Offenbar sei die Qualität der Zuleitungen besser geworden. Er habe dort vor kurzem erst Bachforellen gesehen.

Doch während ein Fluss die Trockenperiode wegstecken könne, hat sie Folgen für die Vegetation. Denn in der Zeit von Mitte Oktober bis Mitte März bilde sich das Grundwasser neu.

Im Sommer werde der Niederschlag durch Verdunstung und Vegetation rasch verbraucht. Deshalb hofft Lehr jetzt auf den Wetterwechsel: „Nächste Woche ist das Hoch weg – dann kommen die Niederschläge.“ Dann könnten sich die Wasserspeicher der Natur bis zum Frühjahr wieder auffüllen. Und außerdem denke die Natur in anderen, größeren Maßstäben, gibt Lehr zu bedenken. Sie sei schwankend und niemal konstant – ein Fließgleichgewicht eben.