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Die Retter des Kleinods – Brüder sanieren ehemaliges Mütterzentrums-Gebäude – Haus hätte jederzeit einstürzen können

Karben. Mitten in Okarben erwacht ein altes Kleinod zu neuem Leben: Die Brüder Jörg und Uwe Engelhardt sanieren dort seit Kurzem das Gebäude des ehemaligen Mütterzentrums in der Hauptstraße. Beim Entkernen des noch bis vergangenes Frühjahr genutzten Fachwerkhauses machten sie eine schockierende Entdeckung: Die Statik war so schlecht, dass Wände jederzeit hätten zusammenstürzen können.

„Das hätte schlimm ausgehen können“, murmelt Uwe Engelhardt (43) und blickt sorgenvoll auf die Decken- und Wandbalken im südlichen Erdgeschosszimmer. Das Eichenholz dort ist dunkelbraun von Feuchte und Fäulnis. Einige Deckenbalken sind so zerfallen, dass sie nicht einmal mehr bis zum Querbalken an der Wand reichen. Dort scheinen sie aufzusitzen. „Tun sie aber nicht“, erklärt Jörg Engelhardt (40). Von außen her habe man das jedoch nicht sehen können: Blenden aus Holz erweckten dort den Anschein durchgehender, aufliegender Balken.

Das Problem: Hier wie auch an anderen Stellen sei bei der Sanierung vor 20 Jahren nicht auf die Statik des Gebäudes geachtet worden, erklärt Bauherr Jörg Engelhardt. Der hat das Haus von der Stadt gekauft. „Na ja, es war mehr der Kaufpreis für das Grundstück.“ Denn in dem schlechten Zustand sei das 120 Jahre alte Gebäude nicht mehr von Wert gewesen. Und sein Zustand sei sogar noch viel schlechter, als es die Gutachten der Stadt dargestellt hätten, erklärt er.

Mit seiner dreiköpfigen Familie plus Hund und zwei Katzen will Jörg Engelhardt im kommenden Sommer einziehen. Doch wird es nicht ein bloßes Wohnhaus: Die Engelhardts wollen es als Referenzobjekt für ihr Friedberger Büro nutzen, das sich auf Komplettsanierungen spezialisiert hat. Wie in Okarben sind oft die Fachwerk-Ökosanierungsfachleute der Karbener Firma Ökoplan mit im Boot.

So wird das ehemalige Mütterzentrum durch und durch mit natürlichen Materialien erneuert – so, wie es schon die Erbauer nutzten. Lehmbausteine als Mauerwerk, gehalten von Lehmmörtel und innen wie außen von einem Lehmputz überdeckt. „Dann kann das Gebäude atmen“, erklärt Jörg Engelhardt. Genau das habe es über zwei Jahrzehnte hinweg nicht gekonnt – mit mangelnder Pflege nach den Bausünden der Sanierung habe die Stadt nicht zur Werterhaltung beigetragen, erklärt er. Beispiel: Das Regenwasser lief über die Regenrinnen hinüber und die Fassaden hinab. „Die Fachwerkbalken wurden ständig feucht und faulten weg“, erklärt Uwe Engelhardt.

Annähernd die komplette Nordwestecke haben die Sanierer bereits ersetzt. Auch die Balken zum Hof hin müssen im Januar noch vollständig ersetzt werden. Die Ursache für den Schaden behoben die Engelhardts binnen Minuten: „Wir haben die Abläufe der Regenrinne vom Laub befreit, dann lief das Wasser wieder ab.“ Nachbarn hätten ihnen berichtet, dass die Stadt das über zehn bis 15 Jahre hinweg nicht gemacht habe. „Das kann stimmen, denn ein 30-mal-30-Zentimeter-Eichenbalken fault ja nicht einfach so weg“, sagt Zimmerergeselle Jochen Einsporn (21) vom Büdinger Fachwerksanierer Holzwerk.

Künftig sollen die Wände dank der natürlichen Baustoffe Feuchtigkeit in beide Richtungen durchlassen. „So wird Schimmel verhindert“, erklärt Uwe Engelhardt. Eine komplett neue Innendämmung mit zwei Schichten Putz sowie Holzfaser-Dämmplatten soll viel Energie einsparen. Auch die Gastherme wird dafür grundüberholt. „Wir erreichen einen für einen Altbau recht guten Wert“, sagt Engelhardt zufrieden. Immerhin habe der Denkmalschutz zugestimmt, dass Holzverkleidungen an zwei Stellen die Fassade vor der Witterung schützen dürfen. Wieso aber nehmen die Brüder ein solches Projekt auf sich – mit geschätzten Kosten von 200 000 Euro? „Mir gefällt das Haus einfach“, antwortet Jörg Engelhardt. „Es hat ein klares Fachwerk, ist nicht verschnörkelt.“ Hinzu kämen die klare Innenraumaufteilung mit großen Zimmern sowie normaler Deckenhöhe. Steuererleichterungen machten den Aufwand ein wenig erträglicher.

Trotz der kalten Temperaturen laufen derzeit die Sanierungsarbeiten im Fachwerkhaus. Zimmerergeselle Einsporn aus Gronau und Azubi Jan Koch (21) müssen ihre Arbeiten aber auf alles beschränken, was mit Holz zu tun hat. „Mauern geht nur bei Temperaturen über Null wegen des Wasseranteils im Mörtel“, erklärt Jörg Engelhardt. „Sonst hat man sofort Bauschäden.“