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Ein Hauch Nostalgie – 100 Jahre Niddertalbahn • „Stockemer Liesi“ mit Musik und Beifall begrüßt

Bad Vilbel. Ein Hauch von Nostalgie wehte über den Gronauer Bahnsteig als „des Stockemer Liesi“ laut pfeifend und schwarze Dampfwolken ausstoßend leicht quietschend zum Stehen kam. Ihr von den zahlreichen Schaulustigen sehnsüchtig erwartetes Kommen angekündigt hatte die 136 Tonnen schwere Lady „Stadt Hanau“ (Jahrgangs 1942 der 50er-Baureihe), den Gronauern und ihren Gästen bereits mehrmals. Den ersten unüberhörbaren Pfiff schickte sie Richtung Gronau als sie aus dem Büdesheimer Tunnel kam und in Gronau alle aufgeregt auf den Bahnsteig strömten.

Fast jeder Wartende verbindet schöne Erinnerungen und aufregende Erlebnisse mit dem „Stockemer Liesi“. So erzählte einer der Eisenbahnfans seiner Enkelin, dass er über 40 Jahre morgens um 4.26 Uhr in Stockheim ins Lieschen einstieg und um 7 Uhr am Hauptbahnhof in Frankfurt wieder aus. Im Zug hatte jeder seinen festen Platz und im Abteil kannten sich alle Fahrgäste. „Wir waren wie eine große Familie. Zu ihr gehörten die Pendler, die Schaffner, der Lokführer und die Beamten an den Bahnhöfen“, erinnert er sich mit leiser Wehmut an alte „Lieschen“-Zeiten.

Offiziell lautet der Name zwar seit 1987 „Niddertalbahn“, doch keiner in der Region würde das „Stockheimer Lieschen“ je so nennen. Die Regionalbahn Stockheim–Nidderau–Bad Vilbel verbindet den westlichen Teil des Main-Kinzig-Kreises und den Südosten der Wetterau mit Frankfurt und „dem Rest der Welt“. Mit ihr fuhren ganze Generationen von Schülern, Auszubildenden und Pendlern morgens Richtung Westen und abends wieder zurück.

Von 1928 bis Mitte der 50er- Jahre zog die Dampflok zwei Mal täglich sechs Personen- und einen Speisewagen mit 320 Sitzplätzen von Stockheim nach Bad Vilbel und retour. Sie transportierte neben Fahrgästen auch dringend benötige Waren.

Der Gronauer Ortsvorsteher Karl Peter Schäfer erinnerte in seiner Ansprache an die Bedeutung des Zuges für die Region. Bis 1990 handelte es sich beim „Liesi“ nämlich nicht nur wie heute, um einen Personen-, sondern auch um einen Güterzug. Das fleißige Lieschen schaffte die schweren Eisenträger heran, die für den Bau des Gronauer Gronaris-Brunnen benötigt wurden. Es lieferte Kohle in die Region, transportierte Getreide, Gemüse und Vieh auf der 31 km langen Strecke zwischen Stockheim und Bad Vilbel.

Erster Stadtrat Jörg Frank hatte weitere Daten und Fakten recherchiert. Der Nachfolger des Lieschen hält zwischen Stockheim und Bad Vilbel 14 Mal an und benötigt für die Strecke 51 Minuten. Von Vilbel nach Frankfurt braucht es weitere 17 Minuten bei zwei Halten. Genutzt wird die Niddertalbahn täglich von über 6000 Fahrgästen. Nach dem Ausbau der Strecke wird der moderne Doppelstockzug schneller. Statt mit 60 km/h ist er dann mit 80 km/h unterwegs. Dafür wurden Kabeltrassen verlegt, Altenstadt und Bad Vilbel erhielten neue Stellwerke.

Die Bahnübergänge in Gronau (K 247), am Dottenfelder Hof und der Astra Quelle werden ausgebaut und der Haltepunkt Gronau erhält eine Lautsprecheranlage. Das „Lieschen“ braucht keine Ansage, sondern verschafft sich entlang der Strecke mit ihrem durchdringenden Pfeifton selbst Respekt.

Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Gronau sorgten für das leibliche Wohl der Gäste und das Akkordeonorchester Bad Vilbel und DJ Klaus Hügel für Musik. Elke Deweil ließ die 40 Akkordeonisten passend zum Anlass „Take the A train“ und „Pennsylvania Station“ spielen.