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Gruseliges im Pfarrhaus – Chronist Walter Heil berichtet aus der wechselhaften Geschichte der St. Nikolaus-Gemeinde

Bad Vilbel. Zwei skelettierte Frauenleichen sind im katholischen Pfarrhaus an der Schulstraße gefunden worden. „Wahrscheinlich sind es Skelette armer Haushälterinnen, die die grausamen Pfarrer früherer Jahrhunderte ermordet und verscharrt hatten“ – so eine lokale Zeitung. Die sensationelle Nachricht ist ebenso wenig neu wie richtig, aber sie ist untrennbar mit dem alten Bad Vilbeler Pfarrhaus verbunden. „O sancta simplicitas“ („O heilige Einfalt“) lautete der Kommentar von Pfarrer Anton Dory, als er den Bericht des „Vilbeler Anzeigers“ im Jahr 1907 las. „Die gesamte sozialdemokratische Presse bis nach Bremen“ habe sich auf die „Nachricht“ gestürzt.

Tatsächlich sei bei umfangreichen Renovierungsarbeiten ein neuer Kellerausgang geschachtet worden. Dabei habe man zwar zwei Skelette ausgegraben, doch stammten sie vom früheren Kirchhof. Diese gar nicht weiter aufregende Story gehört längst der Vergangenheit an. Auch das Pfarrhaus scheint als bedeutendes geschichtliches Denkmal des alten Vilbel in Vergessenheit geraten zu sein. Darauf weist Walter Heil hin, der Chronist der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus.

Der Realschullehrer in Pension erinnert daran, dass sich die historischen Gebäude der weit über zwölfhundert Jahre alten Stadt an einer Hand abzählen lassen: die Burg und die St.-Alban-Kirche (heute Auferstehungskirche), beide um das Jahr 1200 errichtet, das fränkische Fachwerkrathaus von 1573 und eben das katholische Pfarrhaus. Und das ist, so Heil, „von kulturgeschichtlicher Bedeutung für das Stadtbild und ein Bestandteil des Ensembles um Zehntscheuer und Burg“. Die dazugehörige alte St.-Nikolaus-Kirche aus dem Jahr 1720 sei ja leider 1969 abgerissen worden.

Als Emmerich Joseph Freiherr von Breidbach zu Bürresheim Erzbischof zu Mainz war, wurde das alte Pfarrhaus in den Jahren 1774 bis 1776 erbaut. Das erhaltene Wappen zeigt im Herzschild das Stammwappen derer von Breidbach. Das ursprüngliche Gebäude war ein zweigeschossiges Fachwerkhaus. Es hatte ein steiles, mit Biberschwänzen gedecktes Krüppelwalmdach, das ein wenig an das des alten Rathauses erinnert. In einer erhaltenen Skizze ist eine große Dachgaube eingezeichnet, die nach Auffassung der Heimatforscher Heil und Peter Fleck wohl nicht ausgeführt wurde. So ist es auch in den Bad Vilbeler „Heimatblättern“, Heft 44 von 1998, festgehalten.

Von dem alten Haus sind noch die Fensterrahmungen im Original erhalten. Der Barockbau wurde im Jahr 2000 von Grund auf renoviert. Die Fassade wurde komplett erneuert und in einem gedeckten Mineralweiß angelegt. Die Kosten beliefen sich auf 400 000 Mark.

Über den Bau der Freitreppe, die vor der Sanierung nicht mehr vorhanden war, waren sich nach Presseberichten die katholische Kirchengemeinde, das Bistum und die Landesdenkmalpflege in die Haare geraten. Die Treppe ist, ohne dass es dafür Planunterlagen gab, dem barocken Stil nachempfunden. Zwei mit Sandstein eingedeckte Wangen führen zur Eingangstür. Da sich das Gelände im Laufe der Jahrhunderte abgesenkt hat, verfügt die Treppe heute über elf statt ursprünglich wohl fünf Stufen. Der Denkmalpfleger habe diese Lösung zähneknirschend akzeptiert, heißt es im Zeitungsbericht von 2001.