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»Ich muss alle Ansprüche abwägen«

Eckhard Richter von Hessen-Forst ist als Revierförster unter anderem auch für den Bad Vilbeler Wald zuständig. Foto: Patrick Eickhoff
Eckhard Richter von Hessen-Forst ist als Revierförster unter anderem auch für den Bad Vilbeler Wald zuständig. Foto: Patrick Eickhoff

Interview mit Förster Eckard Richter zur Situation des Bad Vilbeler Stadtwaldes

Massiver Holzeinschlag, finanzielle Absichten, falsche Bewirtschaftung. Der Bad Vilbeler Wald ist ein umstrittenes Thema. Eckhard Richter vom Forstamt Nidda ist für den Bad Vilbeler Wald verantwortlich. Im Interview bezieht er Stellung zur Naturverjüngung, dem Einschlag und wieso die Kritik in seinen Augen »völlig überzogen« ist.

Herr Richter, wie oft sind Sie im Bad Vilbeler Wald unterwegs?
Ich bin vier Tage die Woche im Wald und einen im Büro. Je nachdem was ansteht, bin ich in Bad Vilbel.
Für welche Wälder sind Sie denn zuständig?
Für Bad Vilbel, Karben, Bad Nauheim und Wölfersheim.

In letzter Zeit häuft sich die Kritik an der Bewirtschaftung des Waldes. Wie steht denn der Wald im Vergleich da?

Wir hatten drei Dürrejahre. Darunter hat der Wald sehr gelitten. Im vergangenen Jahr hatten wir höhere Niederschläge. Das war entspannend für den Wald.

Forsteinrichtungswerk, Waldwirtschaftsplan, Umweltkommission. Für den Laien ist es schwierig, da den Überblick zu behalten. Können Sie einfach erklären, wie im Vilbeler Wald gearbeitet wird?

So kompliziert ist das gar nicht. Alle zehn Jahre wird eine Forsteinrichtung durchgeführt. Das steht diesen Sommer an. Das ist wie eine Inventur. Dann wird noch festgelegt, wie viel genutzt werden soll. Der Waldwirtschaftsplan ist bereits genehmigt worden. Der Waldbesitzer macht die Vorgaben, die Hessen Forst als Dienstleister umsetzt.

Die Fällungen von 400 absterbenden Bäumen – nicht nur am Wegrand – haben kürzlich die Gemüter erhitzt. Haben Sie diese begutachtet?

Beim Durchforsten läuft der Förster die Baumbestände systematisch ab und begutachtet die Bäume. Die Eschen leiden unter dem Pilz, der das Eschentriebsterben verursacht. Wir haben nur diejenigen Eschen zur Fällung vorgesehen, die krank oder absterbend sind.

Was sagen Sie zu der Kritik, dass man diese doch stehen lassen könne?

Am Wegrand gilt die Verkehrssicherung, mitten im Bestand kann man die kranken Eschen nicht stehen lassen, wenn demnächst wieder Waldarbeiter dort arbeiten sollen. Ich bin über die Vogelkunde zum Beruf gekommen, bin Naturfotograf und im NABU-Vorstand im Kreis Gießen tätig. Meine Aufgabe als Förster sehe ich allerdings darin, alle Ansprüche an den Wald abzuwägen.

Welche Ansprüche sind das denn?
Verschiedene und gelegentlich gegensätzliche. Erholung, Naturschutz, Reiter, Jäger, Brennholzleute, Holzfirmen, Waldbesitzer – alle haben ihre Interessen. Man muss festhalten, dass wir einen hohen Holzbedarf haben. Jeder, der Kritik am Einschlag übt, muss sich fragen lassen: Hat er Holz zu Hause? Braucht er Papier? Das kommt nun mal nicht aus dem 3-D-Drucker. Die Leute machen sich das viel zu einfach mit der Bewertung des Waldes.

Wie sieht es denn mit dem Einschlag im Bad Vilbeler Wald aus?

Wir nutzen nicht so viel Holz, wie nachwächst. Fakt ist: Der Zuwachs ist höher, als das was wir rausholen. Der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf einem Erholungswald. Man kann dennoch im maßvollem Umfang auch Bäume fällen. Das ist kein Widerspruch, es macht den Wald nicht kaputt. Dieser wurde seit Hunderten Jahren genutzt und gepflegt. Die Bevölkerung will auch nicht zu viele tote Bäume im Wald sehen.

Wenn Sie als Dienstleister tätig sind. Trifft die Kritik dann also den falschen?

Wir sind im Auftrag des Waldbesitzers, also der Stadt Bad Vilbel tätig. Viele Kritiker sind naturfern beziehungsweise sehen nicht die Zusammenhänge. Sie nutzen Holzprodukte, ohne sich zu fragen, wo diese herkommen und wie diese produziert wurden, zum Beispiel Lärchenholz aus Kahlschlägen in Sibirien, das man billig im Baumarkt bekommt. In Mitteleuropa wird naturnahe und nachhaltige Forstwirtschaft betrieben, um die uns viele Länder beneiden. Wenn man Holz zu Hause haben will, muss man es auch gutheißen, dass vor der eigenen Haustür Bäume gefällt werden.

Wieso hat das Thema so an Fahrt aufgenommen?

Es ist förmlich hochgekocht nach den drei genannten Dürrejahren. Hiernach waren viele Buchen krank und absterbend. Bevor das Holz verfault ist, haben wir die Bäume gefällt und viele Holzhaufen lagen am Wegesrand. Die Bevölkerung hat sich sehr damit beschäftigt, dies zeigt die große Verbundenheit mit ihrem Wald. In Vilbel ist der Wald aber nicht abgestorben. In anderen Bereichen des Landes sieht das viel schlimmer aus. Die Pressearbeit von uns war nicht optimal. Der Aufruhr war groß, es gab eine Petition. Das fand ich nicht fair.

Wieso nicht?

Weil man uns nicht gefragt hat. Man hätte ja auch mit uns sprechen können. Stattdessen wurden Sachen unterstellt und Unterschriften gesammelt.

Kritik kam ebenfalls auf, weil die Bäume in der Brut- und Setzzeit gefällt werden:

Wir arbeiten das ganze Jahr und dürfen das auch. Der Wald ist davon nur punktuell betroffen. Die Aktion dauert ein paar Tage. Als Vogelkundler bin ich auch nicht begeistert davon, aber die Arbeiten sind bis Ende März abgeschlossen und die Vögel können dann ihrem Brutgeschäft nachgehen. Für Greifvögel gibt es Horstschutzzonen, in deren Umkreis zur Brutzeit nicht gearbeitet werden darf. Habitatbäume werden mit einem »H« gekennzeichnet, dies sind Bäume mit Horsten, Höhlen oder Pilzen, sie werden nicht gefällt.

Schauen Sie in die sozialen Netzwerke?

Nein. Sonst würde ich jede Einzelkritik mitbekommen, die nicht unbedingt sachlich ist. Ich informiere mich über die Presse.

Ist die Kritik in Bad Vilbel größer als in anderen Städten?

Im Moment ja. Wir hatten das auch mal in Bad Nauheim. Da hat eine Förstervorgängerin intensiv Verkehrssicherung betrieben. Das war übertrieben. Mittlerweile hat sich die Lage dort entspannt. In Bad Vilbel war der Auslöser, dass so viele Buchen abgestorben sind und gefällt wurden.

Wie kann man die Gemüter wieder beruhigen?

Durch Information und Diskussion am Objekt, vor Ort im Wald. Niemand will, dass direkt bei ihm etwas negatives passiert, es soll woanders stattfinden, außer Sichtweite. Das ist das Sankt-Floriansprinzip.

Wie meinen Sie das?
Jeder will auf der Autobahn fahren, aber keine Autobahn bei sich vor der Haustür. Windräder vor der Tür sind nicht in Ordnung, aber der Strom schon. Wenn ich Bedürfnisse habe, dann muss ich das auch akzeptieren, dass Eingriffe bei mir zu Hause in meinem persönlichen Umfeld zu sehen sind.
              Das Interview führte Patrick Eickhoff