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Paralympics in Peking – Bad Vilbeler Behindertensportler hofft auf Medaillen und ist bei drei Radrenn-Disziplinen am Start

Bad Vilbel. Er ist Weltmeister. Im August 2007 schaffte Klaus Lungershausen (40) aus Bad Vilbel den Rekord über 24 Kilometer Einzelzeitfahren. Da ist ohne weiteres einsichtig, unter welchem Erwartungsdruck der Radsportler vom RSC Mars-Rotweiß 1902 Frankfurt nun bei den Paralympics in Peking antritt. Die Konkurrenten kommen aus Tschechien, Australien. Auch ein Spanier sei nicht zu unterschätzen. „Man kennt sich“, sagt der 40-Jährige, auf den der Deutsche Behindertensportverband (DBV) große Hoffnungen setzt. Eine Medaille sollte drin sein, auch wenn Lungershausen bei der Hessenmeisterschaft in Bad Hersfeld gar nicht ins Ziel kam. Er hatte den Lenkeraufsatz seines Rades nicht richtig festgeschraubt und musste vorzeitig aufgeben. Aber wenn eine „Generalprobe“ kippt, dann ist bekanntlich das Gelingen der Premiere so gut wie sicher.

Der Chemielaborant bei einer Firma für Spezialschmierstoffe in Bischofsheim hat sich intensiv vorbereitet. Fast jedes Wochenende ein Rennen, dann noch ein einwöchiger Trainingskurs beim Verband und dienstags, mittwochs und donnerstags 60 bis 70 Kilometer auf den Asphaltpisten des Taunus’. Das Bergfahren liegt ihm, das Fahren in der Ebene weniger. In Peking ist die Strecke für das Straßenfahren bergig. Ja, und dann ist da noch der Beruf. Er hat einen sehr kulanten Chef gefunden, der selbst einmal im Radzirkus als Trainer aktiv war. Auf 24 Wochenstunden ist sein berufliches Pensum reduziert. Weitere 16 Stunden finanziert die Deutsche Sporthilfe. „Die Konkurrenz“, sagt Lungershausen, „besteht oft aus Profis. Ohne die Unterstüt-zung der Sporthilfe könnte ich international nicht mithalten.“

Am Samstag ist er nach Peking abgeflogen. Er hat drei Fahrräder dabei, jeweils eins für das Straßenrennen, den Bahn-Wettbewerb sowie für das Zeit-Fahren. Drei Wochen, bis zum 18. September, hält sich der Bad Vilbeler Behindertensportler im Reich der Mitte auf. Kann sich in Ruhe auf die Wettbewerbe vorbereiten. Er hofft auf angenehm warme Witterung und nicht allzu viel Gegenwind während der drei Wettbewerbe, an denen er teilnimmt.

Lungershausen ernährt sich von überdurchschnittlich viel Kohlenhydraten. Dennoch ist ihm das Gewicht von 64 Kilo bei einer Größe von 1,78 Metern eher zu gering. Der heute 40-Jährige, der schon seit 1984 Leistungssport betreibt, ist eine Kämpfernatur, sonst wäre er nicht mehr „im Geschäft“ und schon gar nicht vorn dran. Es war bei der Harzrundfahrt 1995, als er auf einer Schotterpiste die Gewalt über sein Fahrrad verlor. Er war zwei Wochen lang ohne Bewusstsein. Das linke Bein konnte er nicht mehr bewegen, auch die linke Hand nicht. 1997 wagte er sich wieder aufs Rad und merkte alsbald, dass er sich vor gesunden Radfahrern nicht zu verstecken brauchte. Heute ist sein linkes Bein gut beweglich. Er kann laufen, ohne dass man ihm die Einschränkung anmerkt. Beim Radfahren allerdings fehlt ihm links ein wenig Kraft. Einschränkungen bei der Beinstellung machen sich dank der Führung durch die „Skibindung“ der Pedale kaum bemerkbar. In den Kategorien der Paralympics ist er als CP 4 – die Abkürzung steht für Cerebral Paretiker – eingestuft.

Trotz allem war und ist noch Zeit für ein Familienleben. 1998 zog der Frankfurter mit seiner aus dem Ruhrgebiet stammenden Ehefrau in ein schmuckes Reihen-Eigenheim in Dortelweil-West. Der Junge ist jetzt in die Schule gekommen, die Tochter erst ein Jahr alt. Lungershausens Ehefrau kann ihren Mann schon wegen der Kinder, aber auch wegen ihrer eigenen Berufstätigkeit nicht nach China begleiten. Sein Sporthobby macht das Familienleben nicht gerade leichter. Aber aufhören möchte er nach den Olympischen Spielen nicht. Oder doch? Hundertprozentig hat sich Lungershausen noch nicht entschieden.

Am 7. September startet Klaus Lungershausen in Peking in der Einzelverfolgung (3000 Meter) auf der Radrennbahn, am 12. September in seiner Paradedisziplin dem Einzelzeitfahren auf der Straße (über 24 Kilometer) und am 13. September beim Straßenrennen (72 Kilometer). Fernsehübertragungen der Paralympics sind bei ARD, ZDF und Eurosport zu sehen. Speziell zum Radsport siehe Internetseite www.paracycling.de.