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Seelsorge in Corona-Zeiten

Von Hanna Feige

Pfarrer Jung: Gefühl der Gemeinschaft wird besonders schmerzlich vermisst

Bad Vilbel. Unsicherheit und Trauer sind für viele Menschen während der Pandemie zu alltäglichen Begleitern geworden. Trotz der Einschränkungen bieten die Kirchen weiterhin Seelsorge-Dienste an – auch in geänderter Form.
Seit mehr als einem Jahr müssen sich die Kirchen genauso einschränken, wie das in vielen andere Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auch der Fall ist. Mit den wachsenden Sorgen und Ängsten bedeutet der Glauben aber auch für viele eine Sicherheit. Dass die Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelischen Christuskirchengemeinde und der katholischen Pfarrei St. Nikolaus trotzdem weiterhin Seelsorgedienste anbieten, wissen aber wenige.

Vieles läuft in der evangelischen Christuskirchengemeinde und der katholischen Pfarrei St. Nikolaus seit den Corona-Beschränkungen anders. Die evangelische Gemeinde bietet ihren Gottesdienst digital an, die katholische Pfarrei vor Ort. Es müssen aber Masken getragen werden und es ist auf den entsprechenden Abstand zu achten.

Große Feiern wie Trauungen finden fast gar nicht mehr statt, Taufen ebenfalls nur im Kreis der Familie. »Theologisch ist das alles in Ordnung, aber menschlich gesehen muss man da auf vieles verzichten«, berichtet Pfarrer Herbert Jung von der St. Nikolaus-Kirche. Deswegen sei die Nachfrage zurzeit auch gering. Bei Beerdigungen sind Auflagen zu beachten: »Wir singen nicht mehr und die Angehörigen der Verstorbenen umarmen sich nicht mehr. Das fehlt besonders«, erklärt Pfarrerin Ulrike Mey von der Christuskirche.
Die Seelsorge ist von den Einschränkungen weniger betroffen. »Wer mit mir sprechen möchte, kann das gerne machen. Das geht auch persönlich«, erklärt Jung. In der Christuskirche läuft die Seelsorge ähnlich ab, es wurden aber auch neue Wege eingeschlagen. »Ich habe jetzt schon öfter mit Personen Spaziergänge gemacht«, erklärt Pfarrer Klaus Neumeier. »Da ist man draußen, das geht ganz gut.« Vor der Pandemie hätten die Hauptamtlichen der Kirche ihre älteren Gemeindemitglieder zu Geburtstagen besucht. Jetzt rufe man an.

Mehr Menschen sind auf sich selbst gestellt
Für Pfarrerin Ulrike Mey ist es sehr wichtig, die Seelsorge weiterlaufen zu lassen. »Die Lebenskrisen machen ja wegen Corona keine Pause. Die Gespräche sind wichtig«, bekräftigt sie. Das Gefühl der Gemeinschaft wird besonders schmerzlich vermisst. »Das Grundkonzept der Gemeinde ist völlig aus den Fugen geraten«, beklagt Pfarrer Jung. Viele Gruppenaktivitäten wie die Erstkommunion oder die Firmvorbereitung  finden nur online statt. »Mittlerweile wird der Wunsch nach Präsenzgottesdiensten immer stärker«, fällt Pfarrer Neumeier auf. Gerade während der Pandemie ist für viele die Kirche ein Ort, um Lebensstabilität zu erhalten. Trotz Corona kann man jederzeit in die Kirchen gehen, eine Opferkerze anzünden oder sich zu einem stillen Gebet zurückziehen.

Pfarrer Jung ist aufgefallen, dass sich die Menschen durch Corona nun mehr mit sich selbst beschäftigen müssen. »Gerade im Glauben sind sie nun mehr auf sich selbst gestellt. Die Gottesdienste finden nur eingeschränkt statt.  Viele haben mir erzählt, dass das Gebet alleine schwierig ist. Manche Menschen wissen gar nicht mehr, wie man betet. Das können sie jetzt wieder lernen«, erklärt Jung.

In den Gesprächen, die Pfarrerin Mey und Pfarrer Neumeier in den vergangenen Monaten geführt haben, ist häufig die Frage aufgekommen, ob das Coronavirus eine Strafe Gottes sei. Mey verneint diese Frage. »Das passt nicht zu meinem Bild Gottes, er bestraft niemanden. Ich weiß, dass er immer an unserer Seite ist. Ob er uns mit der Pandemie etwas sagen will? Das weiß ich nicht.« Ihr wurde durch die Pandemie besonders bewusst, dass alle Menschen in Gottes Wirklichkeit leben würden und man das eigene Leben nur begrenzt in der Hand halten würde.
Pfarrer Jung hat in den letzten Monaten ähnliche Fragen beantworten müssen. »Ich antworte darauf, dass menschliches Handeln Konsequenzen mit sich zieht, für die wir selbst verantwortlich sind. Da kann Gott uns auch nicht helfen.«

Bei Kirchen informieren
Wer Seelsorge wünscht, findet jeweils auf den Webseiten der Kirchen die Kontaktdaten der Pfarrerinnen und Pfarrer. Die Gemeinden sind jederzeit telefonisch erreichbar, und die Ansprechpartner unterliegen einer Schweigepflicht.