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Turbokapitalismus. Ein Muster! – Interview mit Ehrenstadtrat Klaus Minkel über den Prozess Fischer gegen Stadt

Keine Hiobsbotschaft, sondern eine buchstäblich „gute Nachricht“ erreichte uns am Dienstag-Nachmittag seitens des Magistrats und des Bürgermeisters der Stadt Bad Vilbel. Die Klage des Ex-Bad Vilbeler Landwirtes und Multimillionärs Dr. Claus Fischer, dessen Ackerland in den 90er Jahren für das Wohnungsgebiet Dortelweil-West in Bauland umgewandelt wurde, wofür er allein von der Stadt 26,3 Millionen Euro kassierte, ist vom Bundesgerichtshof definitiv zurückgewiesen worden. Fischer begehrte weitere 73 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel. Seitens der Stadt führte in den 90er Jahren der damalige Erste Stadtrat und heutige Ehrenstadtrat Klaus Minkel die Verhandlungen mit Fischer. Mit Klaus Minkel sprach der ZLP-Redaktionsleiter Horst Samson über diesen unglaublichen Vorfall von Turbokapitalismus.

ZLP: Klaus Minkel, was waren die Hintergründe für diese Prozesse bis zur höchsten Instanz, dem Bundesgerichtshof?

MINKEL: Dr. Fischer hatte von seiner Mutter als vorgezogenes Erbe das Hofgut Chausseehaus in Bad Vilbel Dortelweil erhalten. Teile davon versuchte er sehr bald zu Bauland zu machen. Die Baulandentwicklung lag wegen der damaligen Wohnungsnot im Interesse der Stadt. Der Kaufpreis, der zwischen ihm und der Stadt für das Land vereinbart wurde, betrug rund das Zehnfache des Preises für Ackerland. Es gelang der Stadt in unglaublich kurzer Zeit, aus einem großen Teil seiner Äcker und Wiesen den neuen Stadtteil von Dortelweil zu entwickeln. Ohne den Einsatz der Stadt und meine Arbeit wäre das Land nahezu wertlos geblieben.

ZLP: Dr. Fischer scheint durch diesen gewaltigen Vermögenszuwachs nicht satt, sondern nur hungriger geworden zu sein. Was war der eigentliche Anlass für seine Klage?

MINKEL: Zehn Jahre später behauptete Fischer, die Stadt hätte ihn beim Kauf seiner ehemaligen Äcker auf das Schlimmste übervorteilt. Der Kaufpreis sei viel zu gering gewesen und hätte nur ein Sechstel des wahren Grundstückswerts betragen. In der Summe forderte er von der Stadt rund 72 Millionen Euro nach. Dazu verlangte er noch viele Millionen Zinsen. Und das, obwohl er insgesamt aus der Entwicklung des neuen Stadtteils allein von der Stadt über 30 Millionen Mark erlöst hat.

ZLP: Sie als Jurist, Herr Minkel, kennen den Spruch: „Vor dem Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Der Weg durch die Instanzen war lang und die Zeit der Ungewissheit hat drei Jahre lang gedauert. Wie ist der Prozess verlaufen?

MINKEL: Die Stadt hat klar obsiegt, und zwar in allen drei Instanzen. Hieran hatten weder die Stadt noch unsere Juristen jemals Zweifel gehabt. Insofern bestand auch niemals für die Stadt ernsthafte Gefahr. Und dennoch musste sich die Stadt natürlich gegen die ungerechtfertigten Angriffe wehren. Sie war gezwungen, auf Schritt und Tritt falschen Sachvortrag Dr. Fischers zu berichtigen. Sie musste unglaublich vielen rechtlich raffinierten Winkelzügen, Finten und Attacken Dr. Fischers entgegentreten. Hierdurch wurde der Rechtsstreit sachlich und rechtlich hoch komplex und entsprechend schwierig zu führen.

ZLP: Konnte die Stadt da überhaupt mithalten, Fischer hat doch gewiss hochkarätige Anwälte auf seiner Seite?

MINKEL: Mit unermüdlichem Eifer und – das muss man leider sagen – unersättlicher Geldgier ließ Fischer kein Rechtsgebiet aus, von dem aus er nicht versucht hätte, an sein Ziel zu gelangen. Trotz der Aussichtslosigkeit seiner Klage zwang er die Stadt in drei Instanzen vor Gericht. Es entstanden mehrere tausend Seiten dicke Gerichtsakten. Selbst der pensionierte ehemalige Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Frankfurt, Kurt Ochs, der die Stadt in dankenswerter Weise in dieser Sache verdienstvoll unterstützte, hatte so etwas noch nicht erlebt.

ZLP: Was wäre passiert, wenn die Stadt doch verloren hätte?

MINKEL: Dieser Fall hätte nie eintreten können. Dafür war die von der Stadt in aller Klarheit vorgetragene Rechtslage doch zu eindeutig. Dies machten auch die Richter aller Instanzen in ihren Urteilsbegründungen stets klar.

ZLP: Wenn es dennoch so gekommen wäre, was dann?

MINKEL: Also gesetzt den Fall, eine Stadt in der Größe von Bad Vilbel muss außerhalb ihres Etats Zahlungen in Höhe von rund 90 Millionen Euro leisten: Dies würde nicht nur einen gewaltigen Vermögensverlust für die Stadt bedeuten. Auch zu ihren freiwilligen sozialen Leistungen wäre die Stadt dann nicht mehr in der Lage gewesen – beispielsweise günstige Kindergartenbeiträge, die Mittel für die Altenbetreuung, die gesamten Unterstützungen für Vereine, Kulturveranstaltungen, die Erhaltung der Parkanlagen, Betrieb der Bäder und so weiter. All das wäre für die Stadt und ihre Bürger dann Vergangenheit. Mit Gewissheit hätten die städtischen Steuern drastisch erhöht werden müssen. Gewerbebetriebe würden dann um Bad Vilbel einen Bogen machen.

ZLP: Dr. Claus Fischer war, vermutlich bis heute, ein geschätzter Vilbeler Bürger und ist übrigens der Sohn eines honorigen Mannes, des ehemaligen Friedberger IHK-Präsidenten Hermann Fischer. Hatte er da keine Skrupel, die Stadt zu „ruinieren“!?

MINKEL: Fischer haben derartige Folgen seiner Attacke übrigens völlig kalt gelassen. Ihm ging es ausschließlich um die Mehrung seines immensen Reichtums, koste es, was es wolle. Das Schicksal seiner Heimatstadt, seiner Mitbürger, der sozial Schwachen interessierte ihn nicht. Abschließend danke ich Gott: Wo Gott nicht seine Stadt bewacht, da ist umsonst der Wächter Macht.

ZLP: Und wir danken Ihnen, Klaus Minkel, für dieses Interview!