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Unangemeldete »Spaziergänge«

Der Zug der »Spaziergänger« in Bad Vilbel schlängelt sich wie eine Demonstration durch die Frankfurter Straße. Foto: Niehoff
Der Zug der »Spaziergänger« in Bad Vilbel schlängelt sich wie eine Demonstration durch die Frankfurter Straße. Foto: Niehoff

Eine Festnahme in Bad Vilbel – Kaum einer nimmt Notiz von Demonstranten in Karben

Bad Vilbel/Karben. 16 sogenannte Spaziergänge gegen Coronabeschränkungen und Impfpflicht waren für den Montagabend hessenweit angekündigt. Einer davon in Bad Vilbel. Etwa 75 Menschen trafen sich auf dem Marktplatz vor dem alten Rathaus. »Mit unserem Spaziergang wollen wir nur darauf hinweisen, dass hier in unserem Staat mit den angeordneten Beschränkungen wegen Corona etwas kräftig schiefläuft«, erklärte ein Teilnehmer die Aktion auf der Frankfurter Straße. Was in Leipzig vor der Wende als beispielhaft für das Demokratieverständnis der Bürger gelobt wurde, könne nicht plötzlich völlig falsch sein, versucht er zu argumentieren.

Drohungen gegen Journalisten
Aber es gab auch andere, eindeutig aggressivere Stimmen aus dem Kreis der Spaziergänger wie »Weg mit der Lügenpresse« oder »Schlagt dem Mann die Kamera aus der Hand«. Es blieb jedoch bei den Drohungen.
Die Polizei war mit etwa zehn Einsatzkräften vor Ort, um den Ablauf des »Spaziergangs« zu beobachten. Sie beließ es an diesem Abend bei der Erinnerung über Lautsprecher, doch Abstand zu halten und Masken aufzusetzen. Doch dieser Bitte kaum jemand nach.
Deshalb meldete ein Polizeibeamter an seine Einsatzleitung: «Die Gruppe hält keinen Abstand untereinander, es werden keine Schutzmasken getragen und eigentlich ist es so eine unangemeldete Demonstration.« In der Einsatzleitung entschied man sich an diesem Abend nach Abwägung aller Gesichtspunkte für das kleinere Übel: So lange alles friedlich verlaufe, solle wegen der Verhältnismäßigkeiten der Mittel, der »Spaziergang« fortgesetzt werden. Und es blieb friedlich, auch wenn viele Fußgänger auf der Frankfurter Straße angesichts des Demonstrationszuges die Köpfe schüttelten.
Nach Angaben der Polizei ist es am Rande des Bad Vilbeler Aufmarschs zu einer Festnahme gekommen. Wie in der vergangenen Woche wurde eine Frau verhaftet, die nicht bereit war ihre Personalien zu nennen. Sie habe als mutmaßliche Verantwortliche einer nicht angemeldeten Versammlung auf die Teilnehmer eingewirkt.

Geisterzugartiger Gang durch Karben
Am ersten Montagsaufmarsch durch Karben gegen Corona-Maßnahmen, Impfungen, aber auch Unzufriedenheit mit dem Staat und der Demokratie nahmen 27 Zwei- und zwei Vierbeiner teil. Die Gruppe der Protest-Teilnehmer versammelte sich bei anhaltendem Nieselregen vor dem Rathaus. Die ersten beiden Teilnehmer waren bereits um 17 Uhr vor Ort. Dort wurden sie von acht Polizeibeamten aus der Polizeistation Bad Vilbel erwartet. Abschnittleiter in Karben war Mirko Berg. Den zeitgleichen Einsatz in der Quellenstadt leitete als Einsatzleiter mit Holger Götzmann der Dienststellenleiter der Polizeistation Bad Vilbel. Weitere Protestzüge fanden in Bad Nauheim und Friedberg statt, wie die Beamten informierten.
»Es finden immer in mehreren Orten unangemeldete Demonstrationen statt, um möglichst viele Einsatzkräfte zu binden«, berichtete Mirko Berg. In Karben war keine Gegendemonstration angekündigt. Gegen eine ordnungsgemäße Demonstration sei nichts zu sagen. In Karben habe es keine Anmeldung gegeben. Die Polizisten fragten nach, wer der Verantwortliche sei, ob die Demonstranten Masken und Impfnachweise dabeihaben und auf welcher Route sie »spazieren gehen« wollten. »Das geht sie nichts an, ich gehe spazieren, wo ich will«, lautete die Antwort eines Teilnehmers. Alle anderen schwiegen.

Kommunalpolitiker loben die Polizei
Die Gruppenmitglieder gaben an, aus Karben, Bad Vilbel und der Region zu kommen. Eine Karbenerin sagte: »Es geht mir nicht um die Impfung, sondern darum, dass das Land platt gemacht wird.« Die Gruppe war vom Rathaus aus auf der Homburger Straße bis zum Karbener Weg unterwegs, drehte eine Runde durch das Wohngebiet und bewegte sich dann auf der Homburger Straße in entgegengesetzter Richtung weiter bis zur neuen Stadtmitte.
Nur wenige Bürger passierten bei diesem nasskalten Wetter den beide Straßenseiten nutzenden, schweigenden Demonstrationszug. Die beiden Karbener Stadtverordneten Nora Zado (SPD) und Thorsten Schwellnus (FW) beobachteten den Demonstrationszug. SPD-Vorsitzende Nora Zado sprach den Polizeibeamten ein großes Lob aus: »Nicht überall war die Polizei bereits vor den unangemeldeten Demonstrationen vor Ort und so gut vorbereitet wie hier in Karben.« (jwn/fau)