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Warte-Zeit und Verschwendung

Ich fahre derzeit nicht gerne durch die Frankfurter Straße in Bad Vilbel mit dem Auto. Es gibt wegen der Baustellen oft Staus. Das gleiche gilt für die Friedberger Landstraße, wenn man nach Frankfurt fährt. Ich stehe ungern in Staus. Ich warte auch eher missmutig auf verspätete S-Bahnen oder in ärztlichen Wartezimmern und ganz schrecklich finde ich Telefonwarteschleifen. Das ist doch Zeitverschwendung. Gerade wenn ich es eilig habe, nur rasch etwas erledigen wollte, wenn ich noch ganz viel zu tun habe oder mich beeilt habe, um rechtzeitig zum Bahnsteig zu kommen, gerade dann regt mich Warten besonders auf.

„Und – bringt’s was?“ hat mich bei einer Schimpftirade im Auto einmal meine Beifahrerin gefragt. Blöde Frage, natürlich nicht. Aber gerade darum war die Frage eben nicht blöd, sondern sehr berechtigt. Zugegeben: ein Stau, bei denen man Nächte auf Autobahnen zubringt, ist schrecklich. Aber in der Regel rege ich mich über Minuten auf, manchmal schon über wenige. Dann habe ich die Zeit zu knapp kalkuliert und bin zu ungeduldig. Natürlich weiß ich, dass es nichts bringt, sich dann aufzuregen, aber ich mache es oft genug trotzdem. Dann wünsche ich mir Gelassenheit und Geduld. Denn ich könnte ja stattdessen diese nicht eingeplante Zeit konstruktiv nutzen. Mir helfen am besten gute Erfahrungen und gute Erinnerungen, um in Stresssituationen das umzusetzen, was ich mir in Ruhe vorgenommen hatte. Ich habe einmal bei einer unerwartet langen Autofahrt ein wunderbares Hörbuch gehört, am Stück, von Anfang bis Ende. Wann habe ich im Alltag dazu Gelegenheit?! Ein Bekannter von mir liest seelenruhig jeden Tag in der S-Bahn einen Bibelabschnitt, und wenn er warten muss, fängt er auf dem Bahnsteig an. Wenn ich mich rechtzeitig an solche Gelegenheiten erinnere, kommt die Gelassenheit.

Manchmal hilft dabei auch ein Satz und mir helfen oft welche aus der Bibel. Im Buch Kohelet, bzw. Prediger (Kapitel 4, Vers 6) steht dazu ein für mich wunderbarer Satz: „Aber ich sage: Eine Handvoll Gelassenheit ist besser als beide Hände voll Mühe und Jagd nach Wind.“ Ich werde mir diesen Satz aufschreiben und mitnehmen, wenn ich befürchten muss, mal wieder warten zu müssen, ach nein: zu dürfen.

Pfarrerin Ulrike Mey

Ev. Christuskirche Bad Vilbel