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Wasser, Glück und Kirchentod – Walter Heil kennt die Historie der Quellenstadt und erinnert an einige „Sündenfälle“

Bad Vilbel. „Die Politik gefällt mir nicht. Da mache ich doch lieber, was Freude bereitet“, sagt Stadtführer Walter Heil. Er hat im Trauzimmer des Alten Rathauses eine Schar Neugieriger um sich versammelt. Denn, so sollte sich während seiner zweistündigen Führung durch die Geschichte der Stadt an der Nidda herausstellen: die Politik war damals wie heute allgegenwärtig und die Freuden des passionierten, 83-jährigen Heimatforschers haben so gesehen ihre Grenzen.

Das alte Vilbel hat es Heil angetan. „Vilbel, auf der ganzen Welt gibt es keinen Ort, der noch so heißt.“ Der Name, der einst velwila lautete und so viel wie „Weiler bei dem Ort“ bedeuten könnte, belege mit seinen Wappen von 1200 und 1500 die Zugehörigkeiten mal zu Hanau und zu Eppstein-Falkenstein. Die Kirche am Ende der oberhalb der Überschwemmungszone der Nidda gelegenen Lohstraße sei dem Heiligen Alban geweiht gewesen. Alban, zusammen mit dem Heiligen Kilian, habe hier missioniert, 100 Jahre früher als der berühmte Bonifatius.

„Wasser und Vilbel gehören zusammen“, betont Heil. In der Nidda habe der Fischer Gilbert noch lange nach dem Krieg große Mengen Fische gefangen und in Frankfurt verkauft. Ja, und das Mineralwasser. Heil berichtet über Carl Brod, dessen vier Töchter er noch persönlich gekannt hat. Als der Gründer des Heilbades 1900 auf seinem Grundstück bohrte, stieß er bei 180 Metern auf Wasser, das zwölf Meter hoch sprang und die ganze Straße überschwemmte. Heil: „Das war die Sensation in Europa.“ Das Wasser war so reich an Kohlensäure und so eisenhaltig, dass gar der Kaiser eine Grußadresse geschickt habe. „Wie Sekt“ hätten sich Brods Bäder angefühlt. Hunderte wurden verabreicht. Die Töchter, von denen drei unverheiratet blieben, hätten schwer schuften müssen. Brods Nachbarn bohrten nun ebenfalls auf ihren Grundstücken Brunnen. Sie wurden in zehn oder 15 Metern fündig. „Es waren 33, und alle waren gut“, aber Brods Sprudel versiegte. Er starb bettelarm, berichtete Walter Heil.

Einige Schritte weiter erklärt Heil den Namen Lohstraße. Die Lohe sei aus der Rinde von Eichen gebraut und von den Fellgerbern gebraucht worden. Dreckige Brühe blieb beim Spülen der gegerbten Felle in der Nidda übrig: „Ein Gestank ohnegleichen“, sagte Heil und führte die Gruppe zur Burg.

„Schnell reich werden“ sei die Devise jenes Ritters Kuno gewesen, der Kaufleute auf der Niddabrücke überfiel, bis die Stadt Frankfurt um 1400 sein Domizil niederbrannte. Eine „Riesendummheit“ war nach Ansicht des Lokalhistorikers die Ursache, dass die Burg zur Ruine wurde. Nach der Französischen Revolution, 1796, waren Österreicher auf der Flucht vor den Franzosen, die in Friedberg standen. „Sie warfen die Holzbohlen von der Niddabrücke ins Wasser“, sagt Heil. Die Franzosen forderten die Wiederherrichtung, ansonsten werde die Burg zerstört. „Da ergriff der Simpel von Anführer die Flucht“. Die Franzosen hätten dann das Gebäude mit Ausnahme der Stallungen niedergebrannt.

Das ganze Leid des Historikers macht Heil seinen Zuhörern einen Steinwurf weit entfernt beim Besuch der St.-Nikolaus-Kirche deutlich. Eine wunderschöne barocke Kirche gleichen Namens, vom Ilbenstädter Abt 1725 geweiht, habe einst ein Stück weiter westlich gestanden. Doch diese Kirche habe dem 1950 nach Bad Vilbel gekommenen Dekan Walter Ender und dem nachmaligen Bürgermeister Erich Glück nicht gepasst. Ender habe ein geräumiger Neubau vorgeschwebt, Glück von einem Rathausneubau an dieser Stelle geträumt. Das Barockkleinod sei systematisch ruiniert worden. Die Kirche, in der der Pilz wucherte, sei drei Jahre geschlossen worden. Dem von Vilbel geforderten Abriss habe sich der Landesdenkmalpfleger widersetzt. Doch dann habe es eine Feuerwehrübung in der Kirche gegeben. Danach sei eine Baufirma mit dem Abrissbagger angerückt. „Es ist das Gemeine, dass niemand dagegen aufgestanden ist.“ Die neue St.-Nikolaus-Kirche sei 1972 geweiht und 1986 wieder geschlossen worden. Das Dach habe saniert werden müssen. Die Bauarbeiten hätten so viel gekostet wie einst der Neubau. Nur ein Jahr darauf habe sich das Bewusstsein entscheidend geändert. „Da hätte es den dritten Weltkrieg gegeben über diesen schändlichen Abriss.“