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Wo die Wacholderdrossel singt

Bad Vilbel. In ein lebendiges Biologie-Buch soll sich der Stadtwald ab dem kommenden Jahr verwandeln. Die alten, noch aus den 70er Jahren stammenden Tafeln des Waldlehrpfades sollen ersetzt werden durch 42 neue Motive, die sich ganz speziell auf ihre neuen Standorte beziehen, welche auf einem vier Kilometer langen Rundweg angeordnet sind. Das Tafel-Konzept hat die städtische Umwelt-Kommission beschlossen.

„Der Bad Vilbeler Wald hat so viel zu bieten und soll noch erfahrbarer werden“, betont Bürgermeister Thomas Stöhr bei der Vorstellung der ersten Motive. Noch gibt es die Tafeln aber nur als Grafiken. Demnächst muss das Stadtparlament das Geld dafür bereit stellen, je 25 000 Euro verteilt auf die Jahre 2009 und 2010, erklärt Liegenschaftsleiter Albrecht Kliem.

Entworfen hat die Tafeln Hans Fleischhauer (69), der von 1968 bis 2004 Revierförster war. Er hat auch die ersten Lehrtafeln vor über 30 Jahren gestaltet. Die Neuauflage soll nun deutlich weniger didaktisch daherkommen. Es habe sich gezeigt, dass zu viel Information die Betrachter überfordere, hat Fleischhauer bemerkt.

Deswegen sind die neuen Tafeln bewusst anschaulich gestaltet worden. Jeweils in der Mitte ist ein Bild zu sehen, das am jeweiligen Standort der Tafel aufgenommen worden ist und auf die unmittelbare Umgebung verweist. Aufgelockert werden die Infos von Quiz-Fragen, die auf der Rückseite der Tafeln aufgelöst werden. Der Revierförster wurde bei seiner Arbeit beraten von den Waldkennern Ernst Trinder und Hans Tuengerthal, sowie Peter Paul vom Bund für Umwelt- und Naturschutz und Heinz Gilbert vom Verein für Vogelpflege und Landschaftsschutz, die alle Mitglieder im städtischen Arbeitskreis Umwelt sind. Dieses ehrenamtliche Engagement, so Stöhr, habe es möglich gemacht, dass bei der Gestaltung nicht nur ganz auf Bad Vilbel zugeschnittene Tafeln möglich geworden seien. Zudem könne mit dem gesparten Geld auch eine hochwertigere Ausfertigung der Tafeln finanziert werden. Sie sollen mit einem Metallfuß verankert werden und aus einer verglasten Kunststofffläche bestehen.

Der neue Waldlehrpfad kann am Ritterweiher, Birkenweg, Erzweg und den Berger Wiesen begonnen werden. Er weise auf 175 Hektar Fläche „eine unglaubliche Vielfalt auf“, betont Hans Tuengerthal, der auch Führungen durch den Wald leitet. Die Tafeln weisen nicht nur den Weg zu kaum bekannten Kräutern am Wegesrand, wie Mädesüß, Wasserdost, Blutweiderich oder dem Knotigen Braunwurz. Sie zeigen beispielsweise auch die Bewohner einer 300-jährigen Eiche, die an der B 521 nach Bergen-Enkheim steht: Ringel- und Hohltaube, Mistel- und Wacholderdrossel.

Der frühere Lehrer Tuengerthal hofft, dass diese Tafeln auch verloren gegangenes Schulwissen nachholen: „Der größte Teil der Schüler kann nicht mehr beschreiben, was für Blätter oder Blüten zu finden sind.“ Der Lehrpfad solle den Wald nicht nur erfahrbar machen, sondern die Bürger auch zu mehr Respekt und Verantwortung gegenüber der Natur anregen, so Tuengerthal. Der Wald sei kein Ort für Müll oder frei laufende, störende Hunde. Er regt an, einen Teil des Biologieunterrichts in der Unterstufe in den Wald zu verlagern. Im Stadtwald gebe es über 200 Blüten- und Pflanzenarten, ergänzt Trinder, zumal dort über 20 mal mehr Insekten als Pflanzen lebten. Hinzu kämen Farne, Moose, Pilze und Flechten, sowie über 50 Singvogelarten. Der Bärlauch, der auf der Liste bedrohter Arten steht, sprieße im Stadtwald, fügt Tuengerthal hinzu und verweist auf die Renaturierung des ehemaligen Schießplatzes. Der Waldlehrpfad soll außerdem durch einen Walking-Rundweg ergänzt werden, kündigt Stöhr an. Über die Ausgestaltung werden noch Gespräche mit Sportvereinen geführt.