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Zug tötet Bahnarbeiterin – 56-Jährige sicherte Bauarbeiten ab • Bahnstrecke eine Stunde lang gesperrt

Bad Vilbel. Am Dienstag, kurz vor sieben Uhr am Morgen. Der Regional-Express aus Stockheim fährt auf eine Baustelle zu. Nur einige hundert Meter vom Bad Vilbeler Bahnhof entfernt steht eine Frau. Sie soll mit anderen Kollegen die Baustelle sichern und die Bauarbeiter vor heran nahenden Zügen warnen. Warum die 56-Jährige aus der Wetterau-Gemeinde Limeshain den Regional-Express übersieht, ist unklar. Um exakt 6.55 Uhr wird sie von der Lok erfasst und auf die Gleise geschleudert. Sie ist sofort tot. Zwei Kollegen, die sich jedoch nicht in unmittelbarer Nähe zu ihr befinden, erleiden einen Schock, erfuhr die „Frankfurter Neue Presse“ bei ihrer Recherche.

Schnell machen Gerüchte die Runde. Handelt es sich um einen Suizid? Oder einen tragischen Unfall? Angeblich trug die Mitarbeiterin einer privaten Sicherheitsfirma aus Karlsruhe einen Schirm, um sich vor dem Schneeregen zu schützen. Angeblich hat der Schirm ihr die Sicht auf den nahenden Zug versperrt; zudem herrscht zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes noch Dunkelheit.

Unklar ist bislang auch, ob sich die Frau direkt auf den Gleisen befand – oder unmittelbar daneben. „Wir ermitteln vor allem in Richtung Unfall“, erklärt am Dienstagmittag Jörg Piontek von der zuständigen Bundespolizei. Man betrachte aber grundsätzlich alle Seiten. Bis gestern Abend liegen noch keine neuen Erkenntnisse vor.

Die an der Unfallstelle zweigleisige Strecke bleibt für eine Stunde komplett gesperrt – wegen der Bergung der Leiche und der Spurensicherung; auch die Bauarbeiten ruhen so lange. Dann wird ein Gleis wieder freigegeben. Zehn Züge fallen teilweise aus, dass heißt, die S-Bahnen von Frankfurt Richtung Bad Vilbel enden am Frankfurter Berg und Züge von Friedberg Richtung Frankfurt stoppen in Groß-Karben. Betroffen ist auch das Stockheimer Lieschen. Die entstandene Transport-Lücke überbrückt die Bahn mit Ersatzbussen.

Nicht nur am Bad Vilbeler Nordbahnhof warten Berufspendler und Schüler vergeblich auf ihre Züge. Ein 37-Jähriger hat sich vom Niederdorfeldener Bahnhof an der Lieschen-Strecke per Auto in die Brunnenstadt fahren lassen. Über eine halbe Stunde wartet er dort, bis gegen 9.30 Uhr eine S 6 kommt, die ihn zu seinem Arbeitsplatz in Frankfurt befördert. So geht es auch einer Frau aus Büdingen, die immer mit dem Auto bis Bad Vilbel pendelt, um dort in die S-Bahn nach Frankfurt zu steigen. „Das ist ärgerlich – ich hätte schon vor einer halben Stunde auf der Arbeit sein müssen . . .“

Weil im Radio bereits früh die Bahn-Ausfälle gemeldet werden, versuchen noch mehr Berufspendler als sonst ihr Glück mit dem Auto. Was wiederum bis in den späten Vormittag zu kilometerlangen Staus auf der B 3 aus Richtung Friedberg – vor allem bei Kloppenheim und Dortelweil – sowie der Landesstraße zwischen Niederdorfelden und Bad Vilbel hinein führt.

Wie es den Kollegen der Getöteten und dem Lokführer geht, ist unklar; sie werden psychologisch betreut. Zum Unfallort eilte auch ein Notfallseelsorger, um den Betroffenen Beistand zu leisten. Und die Bahn bietet ihren Mitarbeitern nach solchen Ereignissen grundsätzlich eine psychologische Hilfe an. Besonders tragisch: Der Ehemann der Getöteten befand sich am Dienstag ebenfalls in Bad Vilbel. Er arbeitet für den selben Sicherheitsdienst im Auftrag der Bahn, machte zum Unglückszeitpunkt gerade Frühstückspause.