Veröffentlicht am

200 Meter Gleis pro Stunde-Umbauzug „Heinrich, der Starke“ erneuert die Bahnstrecke zwischen Bad Vilbel und Frankfurt

Bad Vilbel. Auf den ersten Blick sieht es von der Brücke über dem Berkersheimer Bahnhof so aus, als habe jemand vergessen, die Handbremse zu ziehen. In Zeitlupe rollt ein Waggon mit Betonteilen vorbei. Das sind die je 300 Tonnen schweren Betonschwellen, die auf der Strecke verlegt werden sollen. Das Arbeitstempo, mit dem die Strecke Bad Vilbel-Frankfurter Berg neue Gleisanlagen bekommt: 200 Meter in der Stunde.

Das klingt gar nicht mehr lahm, wenn man am Bahndamm direkt neben dem rollenden Ungetüm steht, einem Gleisumbauzug UM – S 2001 mit dem stolzen Namen „Heinrich, der Starke“. Mit 15 bis 18 Schwellenwagen kann der Zug bis zu 420 Meter lang werden. Dann wiegt das gesamte Gespann 1650 Tonnen. Mit dieser erst seit 1980 im Einsatz befindlichen Maschine kann die Gleisanlage tatsächlich „in einem Zug“ erneuert werden.

Lediglich die alten Schrauben wurden vorher gelöst. Den Rest macht das zwölf bis 15 Millionen Euro teure Gerät. Ein Waggon kann 100 Meter Gleise transportieren und 180 Schwellen – wobei eine Betonschwelle schon 300 Kilo wiegt, was allein 55 Tonnen Gewicht ausmacht. Während der 92 Meter lange Zug ganz langsam über die alten Holzschwellen rollt, gräbt ein Metallrad sie aus dem Boden, verteilt den erneuerten Schotter, legt neue Schwellen und Schienen auf. Dabei werden die alten Stahlschienen mit unbändiger Kraft nach außen gebogen, um Platz für die neuen zu schaffen.

Doch auch die Schienen sind schwer: 60 Kilo pro Meter, verrät Rainer Kaschnig, der Baustellenleiter von DB Netz. Anschließend müssen die Schienen noch verschraubt und verschweißt, das Schotterbett bis zu den Gleisen aufgefüllt werden.

Das alles findet beim laufenden Bahnbetrieb, „unter dem rollenden Rad“, statt. Die Main-Weser-Linie ist eine der meistbefahrenen im Rhein-Main-Gebiet, „dort ist alles unterwegs – außer Draisinen“, sagt Bahn-Sprecher Torsten Sälinger: S-Bahn, IC, Regionalexpress, aus Hanau umgeleitete ICE und Güterverkehr: 160 Züge werktäglich, fünf bis sechs die Stunde.

Das alles spielt sich direkt neben den zwölf Gleisbauern ab, die von acht Sicherungsposten unterstützt werden. All paar Meter tröten laut die Typhone. Was manche Anwohner nervt, ist überlebenswichtig. Direkt neben der lauten Maschine, abgelenkt von schweren Arbeiten, würde ein leiseres Signal schlicht überhört. Für die Anwohner bedeute ein Verzicht auf die Warnanlage Nachtruhe, „für die Bahnarbeiter wäre es die ewige Ruhe“, gibt Sälinger zu bedenken.

Er weist auch darauf hin, dass seit Samstag auf der gesamten Strecke gearbeitet werde. Allerdings ist das Ende der Sanierung absehbar: pünktlich zum 7. August, dem Ende der Sommerferien.

Die Sanierung ist längst überfällig. Kaschnig zeigt einen Nagel auf den alten Holzschwellen mit der Jahreszahl 1978. Dabei gelten die Gleisanlagen nach 30 Jahren als sanierungsbedürftig. Das Holz ist nicht mehr zeitgemäß, bekomme Risse, was ein Blick auf die zum Teil schon sehr verwitterten Schwellen zeigt.

Beton, so Sälinger, ist sogar umweltfreundlicher, weil dort keine Imprägniermittel verwendet werden. Die neuen Schienen sehen dabei aus, als seien sie die alten – weil ihre oxidierte Stahloberfläche noch nicht von den vielen Zügen abpoliert worden ist.

Gearbeitet wird auf der Bahn-Baustelle nahezu rund um die Uhr. Lediglich nachts von 1.30 bis 4.30 Uhr machen die Züge eine Sperrpause. Neben dem eigentlichen Verlegen der Gleise gibt es noch genug zu tun – etwa das Drehen des Zuges und die Neubeladung mit Schwellen.

Auch für das Verschweißen der Gleise, so Kaschnig, gibt es präzise Vorschriften. Die Gleise dürfen nur bei einer Temperatur von etwa 26 Grad verschweißt werden. Eine mittlere Temperatur zwischen Frost und heißer Sonneneinstrahlung. So soll vermieden werden, dass die Schienen sich bei wechselnden Temperaturen verschieben.

Mit dem vor acht Jahren begonnenen Plan, die Strecke Frankfurt-West – Bad Vilbel viergleisig auszubauen, habe die Sanierung nichts zu tun, so Sälinger: „Das ist eine ganz normale Instandsetzung.“

Während für den viergleisigen Ausbau der erste Abschnitt von Frankfurt-West nach Frankfurter Berg noch vor dem Verwaltungsgericht beklagt werde, hat für den zweiten, von Bad Vilbel nach Friedberg, gerade erst das Planfeststellungsverfahren begonnen.