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Alte Geschichten, nette Anekdoten – Marktfrau in blitzsauberer Tracht macht bei Kostümführung mit dem Vilbeler Klatsch und Tratsch vertraut

Bad Vilbel. Der 190. Bad Vilbeler Markt ist zwar bereits wieder Geschichte, doch Tratsch und Klatsch haben stets Saison. Wer wüsste das besser als Marktfrau Marie (Marlene Schröder-Greim).

In ihrer blitzsauberen Tracht aus der Zeit von 1830 bis 1850 ist sie für die Stadtführung in Bad Vilbel geradewegs dem 19. Jahrhundert entsprungen. Ausgestattet mit einem nach eigener Einschätzung „losen Mundwerk“, teilt sie ihre Erkenntnisse und Vermutungen mit ihren staunenden und schmunzelnden Zuhörern.

Sie vermittelt den Teilnehmern der Kostümführung historische Zusammenhänge, alte Geschichten, Brauchtum, nette Anekdoten. Der im August 1820 erstmals veranstaltete Vilbeler Markt sei Treffpunkt aller 1500 Einwohner und Bürger aus der ganzen Region gewesen. Dort sei gekungelt, gehandelt, gemunkelt, verheiratet, gefeiert und gerauft worden, erzählte die Stadtführerin.

Die redselige Marie zeigte ihren Begleitern nicht nur die vier Brunnen rund ums Alte Rathaus und ließ sie das gute Vilbeler Wasser kosten, sondern erzählte auch vom Schicksal des vertrauensseligen Unternehmers Bernhard Jamin.

Dessen Geschäfte, sein Gasthaus „Zum Hirschen“, Bierbrauerei und Ziegelbrennerei, florierten. Bis er einem Frankfurter Bauunternehmer 200 000 Gulden lieh, die er nie zurückbekam. Brisant ist auch die Geschichte des Stadtrechners Konrad Jakob, der am 21. Oktober 1859 mit einem Begleiter nach Friedberg aufgebrochen sei, um die Gemeindeeinnahmen abzurechnen.

In einem Lederbeutel trug er 16 000 Gulden bei sich. Er nutzte die Rast im Wirtshaus „Zum Hirschen“ zur Flucht. Ein am 1. November veröffentlichter Steckbrief nach einem „43-jährigen, sieben Fuß großen Mann mit flacher Stirn und struppigem Haar“ blieb ohne Resultat. Die Zeche für den Flüchtigen hätten seine Frau und sein Sohn gezahlt, als Haus, Hof und Vieh versteigert worden seien. Am 13. September 1860 sei der Geflüchtete in seinem Haus entdeckt worden, in dem er sich versteckt hatte. Er habe sich ein Jahr später am 1. Mai in seiner Zelle in Gießen erhängt.

Über die Nidda-Brücke, auf der bis 1841 Wegezoll zu entrichten gewesen sei, führte Marie die Teilnehmer zur Wasserburg. Vom dortigen Turm aus habe im 14. Jahrhundert Ritter Bechtram Ausschau nach Kaufleuten gehalten, um sie auszurauben.

Zur Bestrafung sei seine Burg zwei Mal niedergebrannt worden. Bechtram sei am 27. August 1420 in Frankfurt enthauptet worden. „Seither reitet Ritter Bechtram nachts ohne Kopp’ umher, berichten die Frankfurter“, wusste Marie.

Staunend hörten Marie-Marthe und Jean-Pierre Lecordier aus Poitiers in Frankreich zu. Sie hatten den Besuch bei Freunden in Niederdorfelden genutzt, um an der Führung in Bad Vilbel teilzunehmen.

Ein „Stadtrundgang für Neugierige“ mit Stadtführer Bernhard Lübbers findet am Samstag, 4. September, 20 Uhr, statt. Treffpunkt ist das Brunnen- und Bädermuseum.