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Die Glocken der Heimat – Der 84-jährige Herbert Kaiser hält die Egerländer Traditionen hoch

Wenn Stimmen durcheinander schallen, gelacht wird, ist es schwer, sich durchzusetzen. Doch Herbert Kaiser kennt ein probates Mittel. Mit einem verschmitzten Lächeln nimmt er eine Glocke zur Hand, steht auf und läutet. In der Runde wird es still, alle schauen auf den Senior, der seelenruhig wartet, mit wachen Augen und einem Lächeln im Gesicht.

Bad Vilbel. Alle vier Wochen trifft sich im Parkrestaurant des Quellenhofes der kulturelle Stammtisch der Egerländer und Freunde in Bad Vilbel und Umgebung. Herbert Kaiser (84) ist die Seele dieses geselligen Kreises. Er sorgt dafür, dass sich alle wohlfühlen, dass es ein Programm gibt und dass dieser Stammtisch frisch und lebendig bleibt. „Wir singen gemeinsam, wir erzählen von der Heimat, es tragen welche Gedichte aus ihrer Schulzeit vor und wir feiern unsere Feste“, erzählt er. Es ist ihm wichtig, dass es kein Verein ist, sondern ein lockerer Stammtisch. „Wer kommt, der kommt“, sagt er und ist doch stolz darauf, dass dieser Egerländer- Freundeskreis seit fünfzehn Jahren besteht. Fast immer sitzen zwischen dreißig und vierzig Senioren, die nicht alle ihre Wurzeln im Egerland haben. Zu großen Jahresfesten wie Weihnachten können es sogar gut doppelt so viel werden, dann kommt auch Akkordeonspieler Werner Lochmann, begleitet von einem Zitherspieler und es wird richtig stimmungsvoll. Gesungen werden Lieder aus der Heimat, Volkslieder und Wanderlieder – und Kaiser sorgt dafür, dass alle textsicher sind.

Werte erhalten

„Ich habe die Liedersammlung immer dabei“, sagt er und zeigt auf seine Tasche. Die Schreibmaschine war ihm von der Arbeit her vertraut, am Computer hilft ihm heute sein Sohn. Und so schreibt er die Liedertexte auf, vervielfältigt sie und teilt sie zum Singen aus. Dann erklingen die alten Lieder aus der Heimat in einer lautenreichen Sprache, die langsam verschwindet, „Heut scheint da Mau (Mond) sua schä“ oder „Wau(Wo) bist gwest ?“ Viele Jahre war Herbert Kaiser Mitglied in einem der Egerländer Heimatverbände gewesen, im „Eghalanda Gmoi z’Offenbach. Gegründet wurden diese Verbände in den Fünfzigerjahren, um sich der verlorenen Heimat zu vergewissern, Brauchtum und Kultur zu pflegen. Die Erinnerung an die Vertreibung ist noch immer da, die Kaiser als Sechzehnjähriger in Karlsbad erlebte. „Wir wurden regelrecht verjagt“, sagt er. Doch Zorn oder Schmerz bestimmen nicht sein Leben und auch nicht die Inhalte des kulturellen Stammtischs, den er zusammen mit dem verstorbenen Landsmann Franz Damaschke vor fünfzehn Jahren ins Leben gerufen hat. Dem humorvollen und geselligen Egerländer Herbert Kaiser ging es darum, etwas für seine Landsleute zu tun, sie zusammen zu bringen und kulturelle Werte zu erhalten. Bad Vilbel ist Heimat geworden für ihn und die vielen Heimatvertriebenen. Seit 1956 wohnt er auf dem Heilsberg. Doch wie wird es mit dem Stammtisch weitergehen, wenn alle älter werden, die Kräfte nachlassen? Noch kümmert sich Kaiser um alles, schreibt Einladungen, ist Organisator. „Mein Geist ist noch voll da, und solange mir der Herrgott die Gesundheit gibt, bin ich dabei“, sagt er.

Nächster Stammtisch: Dienstag, 19. Februar, ab 18 Uhr im Quellenhof