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Ein Meisterstreich

In dem Gebäude der Bausparkasse Wüstenrot, an der Friedberger Landstraße in Dortelweil-West, könnte bald schon die Stadtverwaltung residieren. Foto: Deul
In dem Gebäude der Bausparkasse Wüstenrot, an der Friedberger Landstraße in Dortelweil-West, könnte bald schon die Stadtverwaltung residieren. Foto: Deul

Stadtrat Rüdiger Wiechers (CDU) hat dem Immobilienbetrieb der Stadtwerke den Kauf des Gebäudes der Bausparkasse vermittelt. Stadtrat und 1. Werkleiter Klaus Minkel (CDU) verhandelte als Kaufpreis 8 Millionen Euro Restbuchwert, wovon etwa 3 Millionen Euro auf das 11 000 Quadratmeter große Grundstück entfallen. Was sich so einfach liest ist nicht nur eine Überraschung, sondern – wenn es gelingt, den Kauf durchzusetzen – eine Meisterleistung, die viele akute Probleme auf einen Schlag löst.

Bad Vilbel. Stadtrat Minkel hat nach den Vorverhandlungen Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr angeboten, große Teile dieses Gebäudes für die Verwaltung (Rathaus) anzumieten. Da nämlich die Bausparkasse Wüstenrot in das Bürogebäude II des Immobilienbetriebes der Stadtwerke einziehen will, ist die Offerte zudem mit der Zusage einer Gewinnausschüttung durch die Stadtwerke an die Stadt verbunden, so dass das Rathaus quasi mietfrei für die Stadt wäre, ausgenommen die Mietnebenkosten.

Dieses Angebot dürfte bundesweit beispiellos sein, so dass es nach Auffassung des Bürgermeisters einer seriösen Prüfung durch Verwaltung und städtische Gremien bedarf. Als Diskussionsvorlage wurde von Stadtrat Minkel und Bürgermeister Stöhr ein Papier ausgearbeitet, das Hand und Fuß hat und in dem das Für und Wider aus allen denkbaren Perspektiven beleuchtet wird.

Ein neues Domizil für das Rathaus ist auf jeden Fall ein altes Thema. Das Kurheim Margarete (Parkstraße 15), wo zurzeit das Rathaus untergebracht ist und das vor fast 40 Jahren günstig gekauft werden konnte, half damals aus größter Not, nämlich die Stadtverwaltung, die in Baracken „hauste“, vernünftig unterzubringen.

Als großer Nachteil erwies sich mit der Zeit die Tatsache, dass das Kurheim nicht erweiterungsfähig war, so dass sich die Verwaltung immer mehr zersplitterte: Ankauf Nachbarhaus Parkstraße 14; Umzug des Sozialamtes in die ehemalige Stadtwerkebaracke; Aufstellung des Personalratscontainers. Mit dem Stadthaus Bauamt liegen gegenwärtig fünf Standorte der Verwaltung vor. Organisations- und Verwaltungslehre sprechen da eindeutig für eine Konzentration.

Bereits 1997 ließ deshalb Bürgermeister Günther Biwer eine Raumplanung für einen neuen Rathausbau für damals 23 Millionen D-Mark Baukosten erstellen. Es kam aber nie zur Umsetzung. Das dafür vorgesehene Grundstück im Burgpark wurde schließlich für die Ansiedlung von Hit Radio FFH verkauft. Die Verwaltung trat von dem Rathausbau zurück.

Der „Schachzug“

Auch das Zentralparkplatzgrundstück wurde bekanntlich nicht für die Verwaltung reserviert, sondern es wurde der Innenstadtentwicklung Vorrang gegeben. Es fehlt daher bis heute an einem entsprechenden Innenstadt-Grundstück. Mit dem jetzt möglichen „Schachzug“, das Gebäude von Wüstenrot zu erwerben, ließe sich nicht nur die für den Ablauf der Arbeitsprozesse ineffektive Zersplitterung der Verwaltung sowie die teils sehr schlechte und gedrängte Unterbringung in engen Räumen überwinden, sondern auch die akute Brandschutzproblematik, ferner die schlechten Zustände der Toiletten, teils nur durch die Küche zu erreichen, den notorischen Parkplatzmangel, aber auch die für Behinderte unpassierbaren Treppen auf allen Ebenen. Schlecht gelöst ist im Augenblick auch die Archivunterbringung im Keller, ganz abgesehen davon, dass das unscheinbare Gebäude für eine aufstrebende Stadt wie Bad Vilbel nicht mehr repräsentativ ist. Mit dem Umzug in das Gebäude der Bausparkasse wären auf einen Schlag alle Probleme gelöst oder lösbar.

Überzeugend ist auch das aufgestellte Rechenbeispiel im Detail. Vereinfacht sieht es wie folgt aus: 2 % Zinsen von 8 Millionen Euro Kosten belaufen sich auf 160 000 Euro, 2 % AfA (Abschreibung) von 5 Millionen Euro ergeben 100 000 Euro, macht insgesamt unter dem Strich 260 000 Euro aus. Die Einnahmen durch Vermietung an die Bausparkasse wären mit mehr als 300.000 Euro anzusetzen. Offenkundig ist auch die Frage zu beantworten, warum die Bausparkasse nicht bleibt, wo sie ist? Sie bekommt 8 Millionen. Euro Kapital frei und kommt von circa 450 000 Euro Neuwert-Abschreibung herunter.

Rechnungsbeispiel

Was wäre, wenn die Bausparkasse zum Beispiel nach 5 Jahren doch wegzöge? In diesem Fall hätten die Stadtwerke 15 Millionen Euro Schulden dank der Abschreibung getilgt und Zinsersparnisse von jährlich rund 450.000 Euro, so dass sie weiterhin ausschüttungsfähig wären. Die Alternative wäre ein neues Rathaus, was die Stadt – laut vorgenommenen groben Kalkulationen mit rund 500000 Euro jährlich belasten würde, die Kosten für das Grundstück nicht mitberechnet. Die Rechnung ist relativ einfach: 5 000 Quadratmeter zu 2000 Euro ergibt 10 Millionen Euro. Bei 200 000 Euro Zinsen und einer Abschreibung von 3 % (300 000 Euro) würde sich die Kaltmiete auf circa 500.000 Euro belaufen. Als Standort würden sich derzeit nur der Quellenpark und zwei Standorte in Dortelweil-West anbieten,

Auch die Tatsache, dass das Bausparkassen-Gebäude für die Verwaltung zu groß ist, hat man in die Erwägungen einbezogen. Es könnten dort für wenig Aufwand bis zu acht attraktive KiGa/KiTa-Gruppen eingerichtet werden. Das würde im Bedarfsfall der Stadt 3 bis 4 Millionen Euro einsparen. Zwei große Teile des Erdgeschosses könnten separat erschlossen und vermietet werden. Die Eingangshalle ließe sich für Ausstellungen, Präsentationen und Veranstaltungen nutzen, die Mensa wäre Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter, der im Rathaus völlig fehlt, und könnte auch für Sitzungen und Veranstaltungen genutzt werden.

Auch über die Nebenkosten hat man nachgedacht. Da es sich um einen modernen Neubau handelt, sind mit 2 Euro pro Quadratmeter im nichtklimatisierten Bereich und mit 3 Euro pro Quadratmeter im klimatisierten Bereich zu rechnen. Das sind übliche Kosten. Es gibt aber auch ein hocheffektives BHKW, das sowohl Wärme als auch Kälte erzeugt und beim Versorgungsbetrieb nützlich integriert werden könnte. Die Photovoltaikanlage wirft 13.500 Euro jährlich ab. Im Gegenzug entfallen bei der Stadt die Mietkosten von 37 000 Euro pro Jahr für das Sozialamt.

Thema Bürgerbüro

Zudem ließen sich die frei werdenden Liegenschaften in der Parkstraße 14 und 15 mit einer Grundstücksgröße von zusammen 2.634 Quadratmeter zu Geld machen. Bei Verkauf brächten sie einen Erlös von ca. 1,8 Millionen Euro zugunsten der Stadt. Das Sozialamt und Stadtbauamt könnten für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden, denn – laut gesetzlichen Vorgaben – muss die Stadt Bad Vilbel noch in diesem Jahr mehr als 200 Flüchtlinge unterbringen. Das publikumsträchtige Bürgerbüro könnte man in der Innenstadt erhalten, es ließe sich, wie Minkel und Stöhr einhellig erläutern, behindertengerecht besser als bisher im Kurhaus zentrieren, wo auch die Parkplatzversorgung weit besser ist als am derzeitigen Rathaussitz.

Mit dem Minkel-Stöhr-Papier haben die städtischen Gremien und die Parteien nun eine optimale Grundlage, die „Transaktion“ zu erörtern, die enormen Vor- und die kaum ins Gewicht fallenden Nachteile gründlichst abzuwägen, um hier einem genialen „Schachzug“ ihre Stimme zu geben.