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Papst vom Heilsberg? – Kardinal Odilo Scherer wirkte in Vilbeler Gemeinde Verklärung Christi

Der deutschstämmige Brasilianer Kardinal Odilo Pedro Scherer (63) wird in der Weltpresse als einer der Kandidaten für die Papst-Nachfolge gehandelt. In der Quellenstadt war er in den Jahren 1983 bis 1985 zeitweise als Urlaubsvertretung für den Pfarrer der Gemeinde Verklärung Christi tätig. Bis heute pflegt er eine Freundschaft mit zwei Bad Vilbeler Familien.

Bad Vilbel. Montag, 5. Juli 1982, Spätnachmittag. Die beiden damaligen brasilianischen Priester Zeno Hastenteufel und Jacinto Bergmann sitzen bei Helga Zwittlinger im Preungesheimer Weg auf dem Sofa. Das Fernsehen überträgt das WM-Gruppenspiel Brasilien-Italien. Ein Bierchen steht auf dem Tisch, auch aromatischer Matetee.

Um 17.15 Uhr nimmt die brasilianische Katastrophe im Estádio Sarrià in Barcelona ihren Lauf. Zur Halbzeit liegt die Seleção 1:2 zurück, in der zweiten Gleichstand durch Falcao und dann, 14 Minuten vor Schluss: Paolo Rossi beendet mit einem Klassetor zum 3 : 2 die WM-Teilnahme Brasiliens und zerstört einen Nimbus. Helga Zwittlinger, einst Sekretärin an Verklärung Christi, erinnert sich, dass die jungen Theologen „am Boden zerstört“ waren.

Es war Paul Kämmerling, Pfarrer an der Heilsberger katholischen Kirche von 1979 bis 1985, der als sommerliche Urlaubsvertretung geweihte Priester engagierte, die in Rom ein Aufbaustudium absolvierten und über eine bezahlte Überbrückung ihrer Ferien nicht gram waren. Kämmerling, der Kontakt mit der brasilianischen Millionen-Metropole Fortaleza pflegte, bevorzugte deutschstämmige Brasilianer als seine Vertreter. Die Patres Zeno und Jacinto kamen seit 1982 mehrfach nach Bad Vilbel, predigten, tauften und beerdigten. Zwischen 1983 und 1985 kam als Dritter im Bunde Odilo Pedro Scherer hinzu. Er war nach der Erinnerung von Diakon Herbert Paul dann hauptsächlich zur Unterstützung von Pfarrer Hermann-Josef Zorn tätig, einmal sogar für ein halbes Jahr. Die drei Brasilianer beeindruckten anfänglich mit ihrem altertümlichen Deutsch mit saarländischem Einschlag. Sie hatten zu Hause Deutsch gelernt, denn die Familien stammen von Flüchtlingen aus dem Hunsrück und Saarland ab, die vor 150 Jahren in Brasilien eine neue Heimat fanden.

Bad Vilbeler erinnern sich an Odilo, der mit den Sternsingern im bitteren Winter durch die Straßen zog. Eine Familie am Hang des Heilsbergs war als Versorgungsstation bekannt. Sie lud die Kinder und ihren Begleiter in die Wohnung ein, bewirtete sie mit warmem Tee und Leckereien. So kam es zu einer bis heute anhaltenden Freundschaft zwischen dem Brasilianer und zwei Familien, von denen noch eine hier lebt. Ein besonnener und bescheidener Mann sei er geblieben, berichten die Bad Vilbeler. Odilo wohne in einem ganz normalen Haus und habe seinen Besuch mit einem Auto der Golfklasse am Flughafen persönlich abgeholt.

Gute Chancen

Zeno Hastenteufel ist seit 2002 Bischof der brasilianischen Diözese Novo Hamburgo, Jacinto Bergmann ist in Brasilia Bischofssekretär im Haus der brasilianischen Bischofskonferenz. Odilo Scherer aber hat den Vogel abgeschossen. Der am 21. September 1949 als Otto Scherer in São Francisco in Brasilien geborene Odilo hat in der katholischen Kirchenhierarchie Karriere gemacht. In jüngster Zeit ist er von Papst Benedikt als Kardinalpriester mit der Titelkirche Sant’Andrea al Quirinale in das Kardinalskollegium erhoben worden. Nach der Rücktrittsankündigung von Benedikt wird Kardinal Scherer als einer der zehn aussichtsreichsten Kandidaten für die Papstnachfolge gehandelt. Er ist einer der 115 Kardinäle im Konklave und hat gute Chancen, das nächste Oberhaupt der katholischen Kirche zu werden. In einer kirchennahe Zeitung ist zu lesen: „Odilo Scherer hängt nicht an alten Formen. Er twittert munter. Und via Internet und Facebook will er die Kirche wieder der Jugend näherbringen. Dass er mit 63 Jahren ein junger Papst wäre, und dass er Lateinamerikas Kirche repräsentiert, der 42 Prozent der Katholiken angehören, könnte ihn für seine Kardinalskollegen zum Nachfolger machen.“ Mindestens bis Ostern müssen sich Bad Vilbels Katholiken noch gedulden, bis sie ausrufen könnten: „Wir sind Papst“. Oder auch nicht.