Veröffentlicht am

War alles nur für die blaue Tonne? – Schwerwiegende Rechtsbedenken • Bürgerbegehren auf mehr als nur wackligem Fundament • Der HSGB soll prüfen

Bad Vilbel. Zu einer Abstimmung über die Mediathekbrücke am Tag der Bürgermeisterwahl, dem 21. Februar, wird es ganz sicher nicht kommen. Zur der eiligst wegen der Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren einberufenen Parlamentssitzung am Dienstag, 12. Januar (nach Redaktionsschluss), hat die CDU-Fraktion am gestrigen Dienstag ein ausführliches Schlüsselpapier vorgelegt und beantragt damit, das Parlament möge beschließen, die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch den Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) überprüfen zu lassen. Damit verfolgt die CDU-Fraktion keineswegs eine Verzögerungstaktik, sondern sie legt eine Serie von Begründungen vor, die gegen die rechtlichen „Muss-Bestimmungen“ eines Bürgerbegehrens verstoßen. Substanzieller Kritikpunkt ist vor allem, dass im Text des Bürgerbegehrens alle Hinweise fehlen, wie bereits für die Stadt entstandene Kosten sowie die beträchtlichen Folgekosten bei einem eventuellen Erfolg des Bürgerbegehrens zu finanzieren wären. Im Klartext: Trotz genügender Unterschriften steht das Bürgerbegehren auf mehr als nur wackligen Fundamenten. „Gut für die blaue Tonne“, kommentierte ein Insider die Folgen des unqualifizierten Vorgehens der Unterschriftensammler.

„Ein Bürgerbegehren ist ein hohes demokratisches Gut, dem man Respekt entgegenbringen muss“, betont CDU-Fraktionsführer Dr. Josef Maetz und geht konkret auf die „Lücken“ ein. Es wurde den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens verschwiegen, dass von der Errichtung der Brücke untrennbar die Belebung und die Ausweitung des Einzelhandels in der Innenstadt, die Entstehung eines Platzes in der Stadtmitte und die für die Stadt kostenlose Renaturierung von 300 Meter Flusslauf in der Stadtmitte abhängig sind. Es ist ferner aufgrund der Formulierung des Bürgerbegehrens nicht klar, was eigentlich zu beschließen ist. Der Text der Bürgerbegehrens lässt wichtige Angaben, dass etwa ein rechtskräftiger Bebauungsplan (BBP) zur „Neuen Mitte“ mit Mediathek und Brücke existiert, unerwähnt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zur Erschließung eine für schwere Lastkraftwagen geeignete Brücke zu errichten. „Diese sollte dann zu einem späteren Zeitpunkt als Fundament für die Bücherei dienen. Wenn die Neue Mitte kommt, kommt auch eine Brücke, die dann nach Beendigung der Bauarbeiten überflüssig werden wird. Zunächst aber ist der Verzicht auf eine Brücke undurchführbar. Auch dies soll nicht überbewertet werden, vielleicht denkt man ja an einen späteren Abriss“, formuliert die CDU-Fraktion. Man störe sich gar nicht in erster Linie daran, so Dr. Maetz, dass die in der Begründung des Begehrens aufgeführten Gründe, mit denen Unterstützer für das Begehren geworben wurden, allesamt unzutreffend sind, ausgenommen die Bekundung der Initiatoren des Bürgerbegehrens, die Mediathek an anderer Stelle errichten zu wollen. Entscheidend sei ausschließlich, ob das konkrete Bürgerbegehren mit der Rechtsordnung vereinbar ist.

„Daran aber bestehen ernsthafte Zweifel. Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund hohe Anforderungen an ein Bürgerbegehren gestellt und die Einhaltung zwingender Vorschriften zur Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens gemacht. Dies ist weder eine Kann- noch Sollvorschrift, sondern eine Muss-Vorschrift, die Ausnahmen nicht zulässt. Der Gesetzgeber verlangt, dass die finanziellen Konsequenzen eines Bürgerbegehrens den von seinen Initiatoren geworbenen Unterstützern des Begehrens vor ihrer Unterschrift klar gemacht worden sein müssen. Es muss außerdem realistisch dargelegt sein, wie die Kosten, die das Begehren verursachen wird, finanziert werden sollen“, betont die CDU-Fraktion mit Bezug auf Paragraf 8 b der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Dr. Maetz verweist darauf, dass der angegriffene Beschlussvorschlag der Bad Vilbeler Stadtverordnetenversammlung vom 10.11.2009 unter der Ziffer 3 sowie in der Begründung einen konkreten Finanzierungsvorschlag für die Errichtung der Bibliotheksbrücke enthält.

Das Bürgerbegehren äußert sich demgegenüber jedoch nicht zu den finanziellen Folgen seines Begehrens. Worin die bestehen, erklärt das CDU-Papier im Einzelnen bis ins Detail.

Das Bürgerbegehren enthält keinen Finanzierungsvorschlag für den Antrag, die Mediathek nicht wie im Bebauungsplan festgesetzt, sondern „an einem geeigneten Standort“ zu errichten, auf nicht wie die Renaturierung von 300 Meter Flusslauf in der Innenstadt finanziert werden soll, die die Gerty-Strohm-Stiftung im Falle des Baus der Bibliotheksbrücke für die Stadt kostenfrei zugesagt hat. Die Stadt hat sich gegenüber dem Wetteraukreis für den Fall des Inkrafttretens des Bebauungsplans „Neue Mitte“ zu dieser Renaturierungsmaßnahme verpflichtet. Der BBP ist in Kraft getreten, seine Bestimmungen gelten.

Wird die Brücke nicht gebaut, entfällt die Finanzierung durch die Stiftung. Das Bürgerbegehren enthält aber auch keinen Finanzierungsvorschlag dafür, wodurch die Zusage der Humanistischen Stiftung ersetzt werden soll, im Fall des Baus der Mediathek das Bibliothekswesen der Stadt bis mit zu zwei Millionen Euro zu fördern. Unter Ziffer 3 des angegriffenen Beschlusses und unter Ziffer 9.6 der Begründung ist auf diese Zusage ausdrücklich hingewiesen worden.

Ohne Büchereibrücke wird es nicht zum Bau der Neuen Mitte nach dem am 10.11. 2009 beschlossenen BBP kommen, nach gegenwärtiger Sachlage auch zu keiner Abwicklung des zwischen der Stadt und der Humanistischen Stiftung abgeschlossenen Grundstückskaufvertrags. Sowohl die Stadt wie auch die Stiftung haben jedoch den in ihrem Eigentum stehenden Grundbesitz der Neuen Mitte seit zwei Jahren entmietet. „Heute ist dieser Grundbesitz im Wert von zusammen weit mehr als fünf Millionen Euro weitgehend ertraglos. Das Bürgerbegehren enthält keinen Finanzierungsvorschlag dafür, wie der dadurch der Stadt entstehende Zinsverlust beziehungsweise Verlust an Mieteinnahmen ausgeglichen werden soll“. Auch werde die Stiftung geschädigt, die im Vertrauen auf die Stadt gekauft habe.

Aus Sicht der CDU-Fraktion erscheine es zudem zweifelhaft, ob der Verkauf der städtischen Grundstücke an einen anderen Erwerber als die Humanistische Stiftung zu einem gleich hohen Preis erfolgen könnte. Dr. Maetz und die CDU-Fraktion erinnern daran, dass „in billigender Kenntnis auch der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen nicht die Stadt, sondern die Humanistische Stiftung zwei Grundstücke zur Neuen Mitte von privat erworben hat. Diese beiden Grundstücke sind einer Bebauung des verbleibenden Geländes durch einen Dritten hinderlich. Hierdurch mindert sich die Verwertbarkeit der Grundstücke der Stadt.“ Das Bürgerbegehren enthält keinen Finanzierungsvorschlag dafür, wie der durch einen eventuell niedrigeren Kaufpreis eintretende Verlust für die Stadt ausgeglichen werden soll.

Auch ohne Überbauung mit einer Bücherei wäre der Bau einer Brücke durch die Stadt für die Bebauung des Baugebiets Neue Mitte unumgänglich. Das Bürgerbegehren enthält keinen Finanzierungsvorschlag für diese Maßnahme.

Die Realisierbarkeit der Büchereibrücke ist öffentlich bezweifelt worden. Es seien wiederholt von der SPD-Fraktion Pläne zur Büchereibrücke öffentlich angemahnt worden, erklärt Dr. Maetz. Der Magistrat habe diesen Forderungen entsprochen und die technische Realisierbarkeit prüfen lassen, auch die Anforderungen der Energieeinsparverordnung. „Der heutige, auf Drängen der SPD erreichte und in der Beschlussvorlage veröffentlichte Planstand ist nicht ohne Verträge mit Architekten, Fachingenieuren und Beratern erreichbar gewesen. Es dürften fast 300 000 Euro verloren gehen, obwohl mit dem Bürgerbegehren alle Arbeiten gestoppt worden sind“, schätzt Dr. Josef Maetz und auch dazu enthält das Bürgerbegehren keine Kostendeckungsvorschläge. Auch Kosten für einen neuen BBP-Plan tauchen nirgendwo auf.

„Da es sich bei den unter Ziffer 2 aufgeführten Positionen ausnahmslos um mögliche Verletzungen rechtlich zwingender Vorschriften handelt, ist eine rechtliche Überprüfung unabweisbar“, stellt die CDU-Fraktion klar und appelliert zugleich an die „Profis von der SPD“, den Antrag zu unterstützten, auch um das Klima in der Stadt nicht noch weiter zu verschlechtern.

„Nach Paragraf 8 b muss das Bürgerbegehren einen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der mit einem Bürgerbegehren verfolgten Maßnahme enthalten. Das ist zwingendes Recht, weil der Allgemeinheit nicht ein finanzieller Scherbenhaufen hinterlassen werden darf“, erklärte Ehrenstadtrat Klaus Minkel (CDU) zu dem Sachverhalt.